Trotz des Widerstandes der Bewohner haben die Behörden am Dienstag die Teilräumung des Flüchtlingslagers im nordfranzösischen Calais fortgesetzt. Bauarbeiter rissen unter anderem mit Hilfe zweier Bulldozer von den Flüchtlingen errichtete Hütten ab.
Bei bitterer Kälte schafften die Bauarbeiter in dem als «Dschungel» bekannten Lager am Ärmelkanal Hütten, Zelte und alte Wohnwagen weg, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Nach den Zusammenstössen vom Vortag war die Polizei erneut mit einem Grossaufgebot im Einsatz.
Die Lagerräumung verlief zunächst ohne grössere Zwischenfälle – allerdings gab es erneut Spannungen. Bereitschaftspolizisten in voller Montur hielten die Flüchtlinge fern. Viele der Flüchtlinge weigerten sich, ihre Hütten zu verlassen. Die Arbeiter gingen in solchen Fällen zu anderen Hütten weiter.
Der Abriss der Hütten im südlichen Teil des Flüchtlingslagers hatte am Montag begonnen. Dabei kam es am Nachmittag und Abend zu heftigen Zusammenstössen zwischen Flüchtlingen und Aktivisten der Gruppe No Border auf der einen Seite und Polizisten auf der anderen Seite.
Flüchtlinge und Aktivisten setzten rund 20 Hütten in Brand und warfen Wurfgeschosse auf die Beamten, die mit Tränengas antworteten. Rund 150 teilweise mit Eisenstangen bewaffnete Flüchtlinge belagerten zudem zwischenzeitlich die nahegelegene Zufahrtsstrasse zum Hafen von Calais, warfen Steine und schlugen auf Fahrzeuge.
Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve kritisierte die Aktivisten-Gruppe No Border, die sich für eine Abschaffung der Grenzen und für Reisefreiheit für Flüchtlinge einsetzt. Die «extremistischen und gewalttätigen Aktivisten» würden nicht verhindern können, dass der südliche Lagerteil «in Ruhe und mit Methode» geräumt werde.
Von den drei am Montag festgenommenen Aktivisten befanden sich zwei am Dienstag weiter in Polizeigewahrsam – eine Deutsche und ein Brite. «Ihnen werden Zerstörung durch Brandstiftung vorgeworfen», sagte Staatsanwalt Jean-Pierre Valensi der AFP.
Brennpunkt der Flüchtlingskrise
In Calais sammeln sich seit Jahren Menschen, die illegal auf Fähren oder durch den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal nach Grossbritannien gelangen wollen. Sie versprechen sich dort bessere Chancen, viele wollen deshalb kein Asyl in Frankreich beantragen. Nach Behördenangaben halten sich derzeit knapp 4000 Flüchtlinge in Calais auf. Sie leben unter teils Slum-ähnlichen Bedingungen.
Die Flüchtlinge sollen grösstenteils in Aufnahmezentren in anderen Landesteilen gebracht werden. Zuletzt boten die Behörden den Flüchtlingen in Calais deswegen an, in neben dem «Dschungel» aufgestellten Zelten des französischen Zivilschutzes unterzukommen.
Die Behörden wollen nun zunächst den südlichen Teil des «Dschungels» räumen, ein Verwaltungsgericht hatte das Ende vergangener Woche genehmigt. Die Räumung dürfte nach Angaben der Präfektur des Départements Pas-de-Calais mehrere Wochen dauern.