Frankreich will in der Schweiz Pauschalbesteuerte zur Kasse bitten

Frankreich will Franzosen, die in der Schweiz von Pauschalsteuern profitieren, zur Kasse bitten. Laut einem Ende Dezember in Frankreich publizierten Erlass sollen die Pauschalbesteuerten künftig auf in Frankreich erzielten Einkünften in ihrer Heimat Steuern bezahlen.

Von den Franzosen, die bisher in der Schweiz von Pauschalbesteuern profitierten, wohnen viele in der Genferseeregion (Bild: sda)

Frankreich will Franzosen, die in der Schweiz von Pauschalsteuern profitieren, zur Kasse bitten. Laut einem Ende Dezember in Frankreich publizierten Erlass sollen die Pauschalbesteuerten künftig auf in Frankreich erzielten Einkünften in ihrer Heimat Steuern bezahlen.

Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) bestätigte am Samstag eine entsprechende Meldung der Westschweizer Zeitung „Le Temps“. Die Schweiz sei über den französischen Erlass nicht auf offiziellem Wege informiert worden, sondern habe davon durch „Dritte“ erfahren, sagte EFD-Sprecher Roland Meier am Samstag der Nachrichtenagentur sda.

Der Waadtländer Finanzdirektor Pascal Broulis (FDP) sprach gegenüber dem Westschweizer Radio RTS von einer „Kriegserklärung“ aus Paris. Das Vorgehen des Nachbarstaates drohe die Spannungen zwischen den beiden befreundeten Ländern zu verschärfen, sagte Broulis.

Basierend auf Ausgaben

Bislang profitierten viele reiche Franzosen in der Schweiz von Pauschalsteuern. Diese werden nicht auf dem Einkommen oder dem Vermögen erhoben, sondern vor allem anhand der Ausgaben der Betroffenen.

Gemäss per Ende 2010 erhobenen Zahlen kamen hierzulande 5445 Millionäre in den Genuss von Pauschalsteuern. Davon sollen 2000 einen französischen Pass haben.

Besonders viele Pauschalbesteuerte residieren in der Westschweiz. Im Kanton Waadt wird in rund 1400 Fällen eine pauschale Steuer erhoben. Im Wallis sind es mehr als 1100 Fälle, in Genf 690 und in Neuenburg 28.

Die zu bezahlenden Steuern liegen dabei deutlich tiefer als wenn Einkommen und Vermögen bei der Berechnung berücksichtigt würden. In Frankreich mussten keine Steuern bezahlt werden. Die Ausnahme bildeten Einkünfte aus Dividenden. Diese wurden allerdings höchstens zu einem Satz von 15 Prozent statt 30 Prozent besteuert.

Keine „Tolerenz“ mehr

Ab jetzt sollen die Pauschalbesteuerten gemäss dem am 26. Dezember vergangenen Jahres im offiziellen Organ der französischen Steuerbehörden (BOFiP) publizierten Dokument in Frankreich dem Fiskus weit mehr Geld abliefern.

Ab 2013 werde Frankreich die „Toleranz“ gegenüber Franzosen aufheben, die von ihrem Steuersitz in der Schweiz und den dort erhobenen Pauschalsteuern profitierten, heisst es auf der BOFiP-Informationsseite im Internet nur. Für frühere Jahre gelte noch das bisherige Regime.

Berufung auf Doppelbesteuerungsabkommen

Die französische Regierung beruft sich dabei auf Artikel 4 des Doppelbesteuerungsabkommen zwischen beiden Ländern, das 1966 abgeschlossen wurde. In dem Artikel wird festgelegt, wie ein Steuersitz definiert wird. Demnach ist vor allem der Wohnsitz relevant und nicht, wo jemand sein Einkommen erzielt.

Jedoch verbietet das Abkommen Pauschalsteuern. Wörtlich heisst es im Abkommen: „Nicht als im Sinne dieses Artikels in einem Vertragsstaat ansässig gilt: eine natürliche Person, die in diesem Staat nur auf einer pauschalen Grundlage besteuert wird, die nach dem Mietwert der Wohnstätte oder der Wohnstätten bemessen wird, über die sie in diesem Staat verfügt.“

Seit 1972 Praxis

Trotz dieses Artikels hatte Frankreich seit 1972 eine Pauschalbesteuerung ihrer Bürger mit Wohnsitz in der Schweiz „toleriert“.

Bislang stellten die Schweizer Behörden pauschalbesteuerten Franzosen eine Wohn- und Steuersitzbescheinigung aus, die von Frankreich akzeptiert wurde. Doch damit soll jetzt Schluss sein.

Regierungsrat Broulis will allerdings an der bisherigen Praxis festhalten und weiterhin Steuersitzbescheinigungen ausstellen, wie er gegenüber dem Westschweizer Radio weiter sagte. Das Vorgehen Frankreichs sorge aber für Unsicherheit. Darunter litten auch die in Frankreich wohnhaften Schweizer Bürger, die vom Abkommen profitierten.

Der jüngste Vorstoss Frankreichs bezüglich der Pauschalbesteuerung erfolgt nur wenige Wochen nach dem Besuch von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf in Paris, bei dem sich beide Länder auf einen „strukturierten Dialog“ im Steuerstreit geeinigt haben.

Beim Treffen kam auch das bereits ausgehandelte Erbschaftssteuer-Abkommen zur Sprache. Tritt das hierzulande umstrittene Abkommen in Kraft, sollen Erben in Frankreich auch dann nach französischem Recht besteuert werden, wenn der Verstorbene zuletzt in der Schweiz gelebt hat. Der Text wird im ersten Halbjahr 2013 vom Schweizer Parlament behandelt.

Spitzensteuersatz von 75 Prozent

Reiche Steuerflüchtlinge aus Frankreich könnte das Ende der französischen Toleranz gegenüber Pauschalbesteuerten teuer zu stehen kommen. Frankreich möchte für Einkommen ab einer Million Euro einen Spitzensteuersatz vom 75 Prozent erheben.

Eine erste Version des Gesetzes der in Frankreich heiss diskutierten Reichensteuer wurde jedoch Ende Dezember vom Verfassungsgericht gestoppt. Die Regierung hat jedoch bekräftigt, an der Reichensteuer festhalten und eine verbesserte Version des Gesetzes auflegen zu wollen.

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