Begleitet von neuen Protesten hat die französische Nationalversammlung ihre Debatten über eine umstrittene Arbeitsrechtsreform begonnen. Arbeitsministerin Myriam El Khomri warb am Dienstag vor den Abgeordneten für das Vorhaben und verteidigte es gegen Kritik.
Die geplante Reform des Arbeitsrechts sei «gerecht und notwendig», sagte die Ministerin. «Wir können stolz auf diesen Text sein.» Die Lockerung des Arbeitsrechts sorgt schon seit Wochen für heftige Debatten in Frankreich.
Im Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit will Staatschef François Hollande unter anderem die 35-Stunden-Woche lockern. Betriebsinterne Vereinbarungen zu Arbeitszeiten sollen Vorrang vor Branchenvereinbarungen erhalten, was die Gewerkschaften erzürnt.
Ausserdem sollen die Regeln für betriebsbedingte Kündigungen klarer gestaltet werden. Kritiker argumentieren, damit würden Entlassungen erleichtert, was die sozialistische Regierung aber zurückweist.
Hollande verteidigte die Reform am Dienstag bei einer Veranstaltung in Paris als «dynamischen und gerechten Kompromiss». Es handle sich um einen «Text des Fortschritts». Während Hollande sich von der Reform mehr Jobs erhofft, befürchten Kritiker schlechtere Arbeitsbedingungen und den Verlust sozialer Errungenschaften.
In Frankreich ist die Arbeitslosigkeit über Jahre angestiegen und hat ein Rekordniveau erreicht, auch wenn es zuletzt einen Rückgang auf 3,53 Millionen Arbeitslose gab.
Seit Wochen Proteste
Gewerkschaften, Studenten- und Schülerorganisationen machen schon seit Wochen gegen die Reformpläne mobil, am Rande von Grossdemonstrationen kam es dabei immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei.
Vor Beginn der Parlamentsdebatten versammelten sich am Dienstag hunderte Demonstranten in der Nähe der Nationalversammlung und forderten einen Rückzug des Textes.
«Die Abgeordneten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden», sagte der Chef der Gewerkschaft Force Ouvrière, Jean-Claude Mailly. Philippe Martinez von der Gewerkschaft CGT warnte, die Proteste würden «bis zum Ende» fortgesetzt.
Aktivisten der Protestbewegung «Nuit debout» blockierten am Morgen kurzzeitig eine Strasse vor der Nationalversammlung. Auch in anderen französischen Städten gab es Protestaktionen.
Schwierige Beratungen
In der Nationalversammlung zeichnen sich schwierige Beratungen über die 54 Artikel des Gesetzentwurfes ab – insgesamt wurden 5000 Änderungsanträge eingereicht, fast die Hälfte davon von der oppositionellen Linkspartei.
Die Debatten sollen bis zum 12. Mai laufen, am 17. Mai ist dann die Abstimmung in erster Lesung geplant. Dann befasst sich der Senat mit dem Gesetz.
Unklar ist bislang, ob es in der Nationalversammlung eine Mehrheit für die Gesetzesreform geben wird – auch, weil Abgeordnete des linken Sozialistenflügels eine Zustimmung verweigern könnten.
Die Regierung hat bereits angedeutet, sie könnte das Gesetz gegebenenfalls über einen Sonderweg ohne direkte Abstimmung durchs Parlament bringen.
Auf einen entsprechenden Verfassungsartikel hatte die Regierung schon im vergangenen Jahr zurückgegriffen, um ein Reformgesetz aus der Feder von Wirtschaftsminister Emmanuel Macron trotz erheblichen Widerstands aus den eigenen Reihen zu verabschieden. Das Vorgehen ist aber umstritten und wurde von Kritikern als undemokratisch verurteilt.