Bei Frankreichs Konservativen wächst der Druck auf Präsidentschaftskandidat François Fillon, wegen der Scheinbeschäftigungsaffäre zurückzutreten. Sein Rivale, Ex-Premierminister Alain Juppé, steht jetzt doch als möglicher Ersatzkandidat bereit.
Der 71-Jährige würde sich bei einem Verzicht Fillons nicht vor der Verantwortung «drücken», verlautete am Freitag aus dem Umfeld Juppés.
Bislang hatte es der Bürgermeister von Bordeaux stets abgelehnt, gegebenenfalls für Fillon einzuspringen. Zugleich stellt Juppé, der Fillon bei der Präsidentschaftsvorwahl der Republikaner im November klar unterlegen war, nach Angaben seines Umfelds zwei Bedingungen: Fillon müsse von sich aus auf seine Kandidatur verzichten, und die Konservativen müssten sich geschlossen hinter ihn stellen.
Möglicher Retter in Fillon-Affäre
Juppé gilt vielen Konservativen als möglicher Retter in der Fillon-Affäre. Laut einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Odoxa könnte er als Kandidat in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl die meisten Stimmen erzielen und damit die Dynamik des Wahlkampfs zugunsten der Konservativen verändern,
Er käme demnach auf 26,5 Prozent, der Mitte-Kandidat Emmanuel Macron auf 25 Prozent und die rechtsextreme Front-National-Chefin Marine Le Pen auf 24 Prozent. Allerdings liegt die Fehlermarge bei der Umfrage bei drei Prozentpunkten.
Der lange als Präsidentschaftsfavorit gehandelte Fillon dagegen ist in den Umfragen abgestürzt: Er würde Meinungsforschern zufolge nur auf dem dritten Platz landen und damit den Einzug in die Stichwahl verpassen. Bei den Konservativen macht sich deswegen Panik breit, mit Fillon als Kandidat die Präsidentschaftswahl am 23. April und 7. Mai zu verlieren.
Wahlkampf-Chef Fillons tritt zurück
In den vergangenen Tagen wandten sich eine Reihe konservativer Politiker vom Präsidentschaftskandidaten ab. Am Freitag kündigten auch Fillons Wahlkampf-Chef Patrick Stefanini und Kampagnen-Sprecher Thierry Solère ihren Rücktritt an, Medien sprachen von einem «Aderlass» bei den Unterstützern Fillons.
Der frühere Premierminister Dominique de Villepin forderte Fillon am Freitag zum Rückzug auf. «Er kann nicht mehr Kandidat sein, weil er keinen inhaltlichen Wahlkampf mehr führen kann», sagte De Villepin im Sender Europe1. Diesem Votum schloss sich die Europaabgeordnete Nadine Morano an. «Wenn er trotz allem weiter macht, sind wir in einer Sackgasse», warnte sie bei Franceinfo.
Nach Zählung der linksliberalen Zeitung «Libération» distanzierten sich bereits mehr als 100 Politiker der konservativen Republikaner und ihrer Verbündeten von Fillon. Allerdings können die Konservativen Fillon nicht zu einem Verzicht auf eine Präsidentschaftskandidatur zwingen.
Ausserdem hat er bereits die Unterschriften von Abgeordneten und Bürgermeistern zusammen, die für eine Präsidentschaftskandidatur nötig sind. Er braucht mindestens 500, hatte am Freitagmittag aber schon mehr als 1100.
Fillon ruft zum Widerstand auf
Fillon selber appellierte am Freitagabend an seine Anhänger, dem Druck zu widerstehen. In einer Videobotschaft forderte er sie auf, am Sonntag an einer Demonstration in Paris teilzunehmen. «Ich erwarte euch zahlreich, sehr zahlreich, um allen zu zeigen, was der Wille der Aktivisten Frankreichs ist», sagte Fillon.
Fillon bezeichnet die Vorwürfe gegen ihn als Schmutzkampagne und wirft der Justiz «politischen Mord» an ihm vor. Er musste nach Medienenthüllungen zugeben, seine Ehefrau Penelope jahrelang als parlamentarische Mitarbeiterin bezahlt zu haben. Die französische Justiz ermittelt wegen des Verdachts der Scheinbeschäftigung.
Untersuchungsrichter dürften bald ein Ermittlungsverfahren einleiten. Am Donnerstag durchsuchten Ermittler seine Pariser Privatwohnung. Fillon betont, die Anstellung seiner Frau sei legal gewesen. Nach seinen Angaben geht es um Steuergelder in Höhe von rund 680’000 Euro nach Abzug der Sozialbeiträge.