Mit einer ersten TV-Debatte ist der Kampf um die Präsidentschaftskandidatur bei Frankreichs Sozialisten in die heisse Phase eingetreten. Der Partei von Staatschef François Hollande droht bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr eine herbe Niederlage.
Anderthalb Wochen vor der ersten Wahlrunde traten am Donnerstagabend der frühere Premierminister Manuel Valls, Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg und die fünf anderen Kandidaten im Fernsehen gegeneinander an. Die Vorwahl soll der Regierungspartei neuen Aufschwung geben.
«Alle Prognosen sagen voraus, dass die Linke vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen ausscheiden wird», warnte Valls zu Beginn der TV-Debatte. Frankreich hätte dann nur die Wahl zwischen der «extremen Rechten» von Front-National-Chefin Marine Le Pen und der «harten Rechten» des konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon. Er werde dies nicht hinnehmen.
Bedingungsloses Grundeinkommen
In der ersten von insgesamt vier Fernsehdebatten ging es zunächst um die Ankurbelung der Wirtschaft, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Frage von Steuern und die Sozialsysteme. Breiten Raum nahmen Vorschläge von zwei der Kandidaten für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Anschliessend diskutierten die sieben Bewerber über den Anti-Terror-Kampf und die Sicherheitspolitik.
Die Sozialisten bestimmen in einer offenen Vorwahl am 22. und 29. Januar ihren Präsidentschaftskandidaten. Neben dem im Dezember zurückgetretenen Ex-Premier Valls und dem früheren Wirtschaftsminister Montebourg treten von der sozialistischen Partei die Ex-Bildungsminister Benoît Hamon und Vincent Peillon an.
Ausserdem bewerben sich der Grünen-Politiker François Rugy, der Mittelinks-Politiker Jean-Luc Bennahmias und als einzige Frau die Chefin der linksliberalen Partei PRG, Sylvia Pinel, um die Präsidentschaftskandidatur. Sie gelten aber als chancenlos.
Hollandes Bilanz
Staatschef Hollande hatte Anfang Dezember verkündet, nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Er zog damit die Konsequenzen aus seiner beispiellosen Unbeliebtheit bei den Wählern und dem fehlenden Rückhalt in den eigenen Reihen.
Bei der Fernsehdebatte am Donnerstagabend ging es auch um Hollandes Bilanz. Als einziger Teilnehmer zeigte sich Valls «stolz» auf die Arbeit der vergangenen Jahre. Der 54 Jahre alte Ex-Premierminister verteidigte seine frühere Regierungsarbeit unter Präsident François Hollande. Dazu gehörten Entlastungen für Unternehmen, um den Arbeitsmarkt anzukurbeln.
«Es war nötig, den Unternehmen Spielräume wiederzugeben», sagte Valls. Frankreich hat eine hohe Arbeitslosigkeit von etwa zehn Prozent.
Montebourg, der im Sommer 2014 nach Kritik an Hollandes Reformkurs aus der Regierung geworfen worden war, bezeichnete die Bilanz des Präsidenten als «schwierig zu verteidigen». Hamon sagte, ihn überkomme das Gefühl des «Unvollendeten».
Der Wahlkampf bei den Sozialisten ist auch ein Streit über die künftige Ausrichtung der Partei. Valls steht als Vertreter des rechten Parteiflügels für einen unternehmerfreundlichen Reformkurs. Montebourg und Hamon sind prominente Vertreter des linken Sozialistenflügels.
Fillon als Favorit
Meinungsforscher sagen den Sozialisten derzeit so gut wie keine Chancen voraus, den nächsten Präsidenten zu stellen. Als grosser Favorit bei der Präsidentschaftswahl im April und Mai gilt vielmehr der Konservative Fillon. Der klare Sieger der Republikaner-Vorwahl vom November dürfte Umfragen zufolge zusammen mit Le Pen in die Stichwahl einziehen.
Die Sozialisten leiden nicht nur unter der Unzufriedenheit mit dem 2012 gewählten Hollande. Erschwerend kommt für die Regierungspartei hinzu, dass ihr bei der Präsidentschaftswahl auch zwei Kandidaten aus dem linken Lager Konkurrenz machen werden: Der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und Linksparteigründer Jean-Luc Mélenchon. Beide liegen in Umfragen derzeit vor den Sozialisten.