Das Bezirksgericht in Renens VD hat am Freitag einen 48-jährigen Genetikspezialisten vom Vorwurf der vorsätzlichen Tötung seiner Stiefmutter im Jahre 2010 freigesprochen. Nur schon ein Zweifel verpflichte das Gericht, den Angeschuldigten freizusprechen, begründete Gerichtspräsident Jean-Pierre Lador das Urteil.
Das Gericht gehe davon aus, dass Handgreiflichkeiten stattgefunden haben, sagte der Richter. Auch habe die Verteidigung die Ursache gewisser Verletzungen, die der Angeschuldigte aufwies, nicht hinreichend erklären können. Gleichzeitig hätten die Indizien jedoch nicht ausgereicht, das Gericht von der Schuld des Angeklagten zu überzeugen.
Trotz der „aussergewöhnlichen Arbeit“ der Untersuchungsbehörde habe man nicht eindeutig rekonstruieren können, was wirklich an jenem Tag geschehen sei, sagte Lador weiter. So könne man nicht ausschliessen, dass eine Drittperson für den Tod des Opfers verantwortlich sei.
Mit seinem Urteil folgte das Gericht dem Antrag der Verteidigung, die einen Freispruch verlangt hatte. Der Waadtländer Staatsanwalt Eric Cottier seinerseits hatte eine 16-jährige Freiheitsstrafe gefordert.
Staatsanwalt „ein wenig erstaunt“
Die Töchter des Angeklagten und seine Partnerin brachen bei der Urteilsverkündung in Freudentränen aus und applaudierten. Der Angeschuldigte selbst war so aufgewühlt, dass er sich auf einem Pult abstützen musste. „Es ist das Ende eines langen Kampfes“, sagte Verteidiger Stefan Disch.
Staatsanwalt Cottier hingegen zeigte sich „ein wenig erstaunt“ über das Urteil. Er werde vorsorglich Berufung anmelden, sagte er. Erst nach Erhalt der detaillierten Urteilsbegründung werde er entscheiden, ob er gegen das Urteil rekurrieren werde. Ähnlich äusserte sich Jacques Barillon, Anwalt der Opferfamilie.
Unschuld beteuert
Der Fall hatte in der Romandie hohe Wellen geschlagen: Das 66-jährige Opfer, Mitglied der Gemeindeexekutive von Vaux-sur-Morges, wurde vom Stiefsohn am Abend des 9. Januars 2010 leblos im Haus aufgefunden.
Seine Aussage, die Frau sei gestürzt, machte die Polizei stutzig, so dass sie ihn noch am gleichen Tag als Tatverdächtigen verhaftete. Insgesamt verbrachte der Angeschuldigte knapp zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft. Mehrere Gesuche für eine provisorische Entlassung wurden abgelehnt. Während der ganzen Zeit beteuerte der 48-Jährige seine Unschuld.