Begleitet von neuen Protesten hat in Frankreich die umstrittene Arbeitsmarktreform den Senat passiert. Das von der konservativen Opposition beherrschte Oberhaus stimmte am Dienstagabend allerdings für eine stark verschärfte Version der Reform.
Die Senatoren wollen die 35-Stunden-Woche noch mehr lockern als die Regierung und eine feste Obergrenze für Abfindungen bei unrechtmässigen Entlassungen einführen, wie es die Arbeitgeber fordern.
Bei der Abstimmung votierten am Dienstagabend 185 Senatoren des konservativen Lagers für den umgeschriebenen Reformtext. 156 Senatoren von Sozialisten, Kommunisten und Grünen stimmten dagegen.
In der Nationalversammlung dürften die Änderungen aber bald wieder gestrichen werden. In Frankreich hat die Nationalversammlung bei Gesetzesvorhaben das letzte Wort.
Zehntausende Demonstranten
Gegen die Reformpläne machen die Gewerkschaften schon seit Monaten mobil. Am Dienstag demonstrierten nach Angaben der Behörden landesweit 64’000 Menschen gegen das Vorhaben.
Die Gewerkschaft CGT, die an der Spitze der Proteste steht, sprach dagegen von fast 200’000 Demonstranten. In der Hauptstadt Paris gingen laut Behörden rund 15’000, laut Gewerkschaften rund 55’000 Menschen auf die Strassen.
Aus Sorge vor neuen Ausschreitungen fand die Demonstration in Paris erneut unter scharfer Polizeibewachung statt: Rund 2500 Beamte waren im Einsatz und durchsuchten an Kontrollpunkten die Taschen der eintreffenden Demonstranten. Es kam nur zu vereinzelten Zusammenstössen zwischen vermummten Randalierern, die Steine warfen, und der Polizei, die Tränengas einsetzte. Landesweit wurden 81 Menschen festgenommen, davon 39 in Paris.
Die Proteste hinderten Touristen im EM-Land Frankreich erneut am Besuch des Eiffelturms. Weil ein Teil des Personals streikte, blieb das Pariser Wahrzeichen am Dienstag geschlossen, wie der Betreiber mitteilte.
Verhärtete Fronten
Gegen die Pläne von Frankreichs Staatschef François Hollande, der im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit unter anderem die 35-Stunden-Woche und den Kündigungsschutz lockern will, protestieren die Gewerkschaften schon seit Monaten. Im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit will der sozialistische Präsident unter anderem die 35-Stunden-Woche und den Kündigungsschutz lockern.
Die Gewerkschaften kritisieren die Reform als zu unternehmerfreundlich und prangern sie als sozialen Rückschritt an. Erbost sind sie insbesondere darüber, dass Betriebsvereinbarungen zu Arbeitszeiten Vorrang vor Branchenvereinbarungen bekommen sollen.
Im Streit um die Arbeitsmarktreform sind die Fronten zwischen der Regierung und linken Gewerkschaften verhärtet. Premierminister Valls will am Mittwoch und Donnerstag zwar Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zu Gesprächen empfangen. Neue «Verhandlungen» über die Reform hat er aber ausgeschlossen.
CGT-Generalsekretär Philippe Martinez warnte, er komme nicht zu einem blossen «Freundschaftsbesuch» und «nur um Kaffee zu trinken» zu Valls. Für kommenden Dienstag kündigte er einen neuen «Aktionstag» gegen die Reform an.
Parlamentarischer Sonderweg
Kommende Woche kehrt der Text in die Abgeordnetenkammer zurück. Die sozialistische Regierung kann sich auch in der Nationalversammlung keiner Mehrheit für das Vorhaben sicher sein: Viele Abgeordnete vom linken Sozialistenflügel sind gegen die Reform.
Premierminister Manuel Valls setzte im Mai deswegen auf einen parlamentarischen Sonderweg, um die Gesetzesvorlage in erster Lesung ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung zu bringen. Die Regierung könnte auch in zweiter Lesung auf dieses Mittel zurückgreifen. Sie riskiert damit aber eine Misstrauensabstimmung.