Die französische Nationalversammlung hat mit der Annahme eines umstrittenen Völkermord-Gesetzes eine schwere diplomatische Krise mit der Türkei ausgelöst. Das am Donnerstag in erster Lesung gebilligte Gesetz stellt die Leugnung offiziell anerkannter Völkermorde unter Strafe.
Darunter fällt in Frankreich auch der Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915-1917. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches bestreitet bis heute den Genozid. Ankara rief aus Protest seinen Botschafter in Paris zu Konsultationen zurück.
„Mein Botschafter wird morgen für einen unbestimmten Zeitraum in die Türkei abreisen“, erklärte am Donnerstag Botschaftssprecher Engin Solakoglu der Nachrichtenagentur dpa.
Im Osmanischen Reich kamen nach unterschiedlichen Schätzungen während des Ersten Weltkriegs bis zu 1,5 Millionen Armenier ums Leben. Die Gräueltaten an den Armeniern werden international als Völkermord taxiert.
Sie wurden auch von mehr als einem Dutzend Staaten als Völkermord anerkannt. Dazu gehört seit 2001 Frankreich. In der Schweiz war es der Nationalrat, der den Völkermod an den Armeniern anerkannte.
Vorwurf des Stimmenfangs
Die Türkei hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung in der französischen Nationalversammlung verärgert auf das Vorhaben reagiert und der französischen Regierung Stimmenfang vor der Präsidentenwahl im Frühling 2012 vorgeworfen.
In Frankreich leben rund 500’000 Menschen armenischer Abstammung. Treibende Kraft für das Gesetz war die konservative Regierungspartei UMP von Präsident Nicolas Sarkozy. Das Gesetz sieht für die Leugnung von Völkermord künftig eine Geldstrafe von 45’000 Euro sowie eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr vor.
Der von der UMP-Abgeordneten Valérie Boyer eingebrachte Entwurf passierte die erste Parlamentskammer über alle Parteigrenzen hinweg mit einer grossen Mehrheit der 50 anwesenden Abgeordneten – nur ein halbes Dutzend Parlamentarier stimmte dagegen.
Unmittelbar zuvor hatten rund 1000 Menschen vor der Nationalversammlung gegen den Gesetzesvorstoss protestiert. Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss noch der Senat zustimmen. Die Leugnung des Holocausts steht in Frankreich bereits unter Strafe.