Das «Mädchen aus der Blätterhöhle» starb vor mehr als 5000 Jahren. Eine Rechtsmedizinerin hat das Antlitz der jungen Frau rekonstruiert. Ergebnis: In einer Fussgängerzone würde sie wohl kaum auffallen.
Nach einem Schädelfund in einer Höhle hat eine Frau aus der Jungsteinzeit 5600 Jahre nach ihrem Tod wieder ein Gesicht bekommen. Die Frankfurter Rechtsmedizinerin Constanze Niess rekonstruierte Gewebe, Haut und Haare der 17 bis 22 Jahre alten Frau, deren Schädel in der Blätterhöhle im westfälischen Hagen gefunden worden war.
«Ich habe darauf geachtet, dass sich das Alter in dem Gesicht widerspiegelt», sagte sie zur Präsentation ihrer Arbeit am Freitag in Hagen. Feinheiten wie Tränensäcke oder Fältchen, aber auch Augen- und Haarfarbe liessen sich selbstverständlich nicht am Schädel ablesen. Da habe sie in Absprache mit Forschern eine gewisse künstlerische Freiheit bei der Gestaltung gehabt.
Höhlenforscher hatten den Schädel 2004 zusammen mit anderen Skelettresten entdeckt. «Sie hat eine eher flache Stirn und verhältnismässig breite Wangenknochen», erklärte Niess. Rund 60 Stunden habe sie an dem Kopf gearbeitet.
Insgesamt hat die Expertin bereits rund zwei Dutzend Toten ein Gesicht gegeben. Darunter sind auch forensische Fälle, bei denen die Polizei die Identität unbekannter Toter klären will.
Der Schädelfund in der Blätterhöhle sei etwas ganz Aussergewöhnliches, sagte Ralf Blank, Historiker und Archäologe beim Historischen Centrum Hagen. Die Frau repräsentiere eine Population jungsteinzeitlicher Jäger und Sammler.
Laut Lehrmeinung hätten es die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geben dürfen, sagte Blank. Man sei davon ausgegangen, dass sich die Menschen bereits vom Ackerbau ernährten.
Das Gesicht zu sehen, sei faszinierend. «Ein ganz bewegender Moment», sagte der Archäologe. «Sie würde nicht auffallen wenn sie in Hagen durch die Innenstadt liefe.»