Der Frauenanteil in den Chefetagen von Schweizer Unternehmen wächst nur langsam. Eine ganze Generation muss sich zuerst an neue Rollenmodelle gewöhnen. Schwung in den Arbeitsmarkt bringen Ausländerinnen.
Dieser Meinung jedenfalls ist Guido Schilling, Chef der gleichnamigen Topkader-Vermittlung und Autor des Schillingreports. Die Studie zur Entwicklung der Geschäftsleitungen und Verwaltungsratsgremien der grössten Schweizer Arbeitgeber erscheint dieses Jahr zum 10. Mal.
Der Frauenanteil in Geschäftsleitungen ist aktuell bei 6 Prozent stagniert. Vor 10 Jahren lag er bei 4 Prozent. Grund für die schwache Entwicklung ist unter anderem, dass den neu eintretenden Frauen in der Geschäftsleitung oftmals ebenso viele Austritte gegenüber standen.
«Ich bin zur Einsicht gekommen, dass es nichts nützt, mit Kraft daran zu zerren, Frauen in die Geschäftsleitung zu bringen. Es braucht einen Kulturwandel», sagte Guido Schilling vor Journalisten.
Für Ausländerinnen sei Karriere machen oftmals selbstverständlicher als für Schweizerinnen. Grund dafür seien andere Rollenbilder und ein anderes Selbstverständnis. In den nächsten fünf Jahren wird der Frauenanteil aber leicht wachsen, ist Schilling überzeugt.
Gut ausgebildete Frauen stehen demnach bereits in den Startlöchern. Bis 2020 könnte der Frauenanteil auf Geschäftsleitungsstufe nahezu 10 Prozent erreichen, in Verwaltungsräten sogar bis zu 30 Prozent.
Quote in Deutschland hilft der Schweiz
Schweizer Unternehmen profitieren gemäss den Experten der Kadervermittlung Schilling von der Frauenförderung im Nachbarland Deutschland. Durch die bald obligatorische Frauenquote werden Frauen gefördert und machen beruflich Erfahrungen, die sie auch in der Schweiz einbringen können.
Der Arbeitsmarkt auf Top-Level ist international. Der Ausländeranteil in den Geschäftsleitungen der grössten Schweizer Unternehmen beträgt 42 Prozent, in den Verwaltungsräten 36 Prozent. Bei den weiblichen Geschäftsleitungsmitgliedern haben 50 Prozent einen ausländischen Pass.
Von einer Frauenquote in der Schweiz rät Schilling ab. Kompetenzen und Erfahrung müssten bei der Selektion wichtigere Kriterien sein als das Geschlecht, führte er bei der Präsentation der Studie am Donnerstag aus. Freiwilliges Engagement hält er hingegen für sinnvoll.
Die Frauenquote wird zurzeit heftig diskutiert. In Deutschland scheint sie beschlossene Sache, der deutsche Bundestag entscheidet am Freitag über eine Quote von mindestens 30 Prozent in den Aufsichtsräten börsenkotierter Unternehmen. In der Schweiz wird im Rahmen der Aktienrechtsrevision eine Quote von 30 Prozent auf Stufe Geschäftsleitung und Verwaltungsrat bei börsenkotierten Gesellschaften diskutiert. Sanktionen sind aber nicht vorgesehen. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse empfiehlt in seinem Verhaltenskodex (Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance) lediglich eine Frauenvertretung, ohne aber eine Quote zu nennen.
Frauen übernehmen vermehrt Kontrolle
In den Verwaltungsräten sind die Frauen aber bereits jetzt auf dem Vormarsch: Im letzten Jahr wurde jedes dritte vakante Mandat an eine Frau vergeben. Der Anteil liegt inzwischen bei 15 Prozent. Im Jahr 2010 lag er noch bei 10 Prozent.
Für den Schillingreport wurden Daten ausgewertet von 120 Unternehmen respektive 90 für die Verwaltungsratsgremien. Die Chefetagen der grössten Arbeitgeber untersucht Schilling seit 10 Jahren, die Aufsichtsgremien seit 5 Jahren.