Mehr als drei Jahre nach dem Sturz von Husni Mubarak hat ein Strafgericht die Anklage gegen Ägyptens Ex-Präsidenten wegen des Todes von über 800 Demonstranten fallen gelassen. Damit entgeht er einem Schuldspruch. Die Staatsanwaltschaft hatte die Todesstrafe gefordert.
Das Kairoer Gericht sprach den 86-jährigen Mubarak am Samstag in dem Revision nicht nur von der Verantwortung für die Hunderten von Toten frei, sondern auch vom Vorwurf, Staatsgelder veruntreut zu haben. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, Berufung einzulegen, wie das Internetportal Al-Ahram Online meldete.
Trotz der beiden Urteile kommt Mubarak vermutlich vorerst nicht auf freien Fuss. In einem weiteren Verfahren war der Ex-Präsident im Mai wegen Korruption zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Diese Strafe ende erst im August 2016, zitierte die Internetseite Youm 7 eine Justizquelle. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht.
Richter Mahmud al-Raschidi sagte am Samstag in seiner Begründung, nur die Geschichte und Gott sollten angerufen werden, um ein Urteil gegen jemanden zu fällen, der Ägypten mehr als 30 Jahre als Vize-Präsident und Staatschef gedient habe. Mubaraks Anwalt Farid al-Deeb sagte nach dem jetzt erfolgten Entscheid, dieser beweise die «Unbescholtenheit» von Mubaraks Herrschaft.
Mubarak-Anhänger jubeln
Ebenfalls entlastet wurden Ex- Innenminister Habib al-Adli, Mubaraks Söhne Gamal und Alaa sowie weitere Angeklagte aus dem ehemaligen Sicherheitsapparat Mubarak.
Nach dem Urteil brach im Gerichtssaal Jubel aus. Mubarak verfolgte die Urteilsverkündung mit ernstem Gesicht. In einer ersten Stellungnahme sagte er dem TV-Sender Sada al-Balad am Telefon, er habe nie eine Anweisung zur Tötung von Demonstranten gegeben.
Aus Angst vor möglichen Protesten sperrten Sicherheitskräften den Tahrir-Platz in Kairo ab. Dort hatten im Frühjahr 2011 Massendemonstrationen den Rücktritt des Langzeitmachthabers eingeleitet. Polizeikräfte und Schlägertrupps waren damals mehrere Male auf die Protestierenden losgegangen, bevor Mubarak am 11. Februar 2011 seinen Rücktritt bekanntgab.
Eine vom Militär eingesetzte Richterkommission ermittelte im Anschluss den Tod von mindestens 846 Menschen. Laut Kommission konnte ein Schiessbefehl gegen die Demonstranten nur mit der Zustimmung des Präsidenten erteilt werden.
Protest gegen Sieg der Gegenrevolution
Die Entscheidung des Richters vom Samstag stelle eine Niederlage für die Revolution dar, sagte der ägyptische Aktivist Mohammed Salah der Internetseite Al-Ahram. «Das markiert den Sieg der Gegenrevolution.» Vor den Absperrungen am Tahrir versammelten sich Dutzende Menschen. Sie forderten, dass das Verfahren wieder aufgenommen wird.
Bei dem neuen Richterspruch handelt es sich um eine Entscheidung in einem Revisionsprozess. Mubarak war im Juni 2012 in einem ersten Verfahren zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Urteil wurde aber wegen Verfahrensmängeln aufgehoben.
Der 86-Jährige hatte auch im zweiten Prozess jede Schuld an dem Tod der Demonstranten zurückgewiesen. Vor dem Strafgericht sagte er aus, er habe 2011 sein Amt aufgegeben, um ein Blutvergiessen zu vermeiden. Der gesundheitlich angeschlagene Mubarak lebt seit Monaten in einem Kairoer Militärspital. Dorthin wurde er am Samstag zurückgebracht. jubelnde Anhänger empfingen ihn.
Rückkehr zur Militärherrschaft
Mubarak war nach drei Jahrzehnten autokratischer Herrschaft gestürzt worden. Sein Nachfolger, der aus der Muslimbruderschaft hervorgegangene Mohammed Mursi, Ägyptens erster demokratisch gewählter Staatschef, wurde im Sommer 2013 vom Militär gestürzt.
Nach dem Umsturz, der den jetzigen Präsidenten und ehemaligen Armeechef unter Mubarak, Abdel Fattah al-Sissi, an die Macht brachte, gingen Armee und Polizei mit grosser Härte gegen die Mursi-Unterstützer vor. Mehr als 1400 von ihnen wurden getötet, über 15’000 weitere sitzen im Gefängnis. Hunderte von ihnen wurden zum Tod verurteilt.