Im familienfreundlichen Wettsteinquartier entstehen vier luxuriöse Wohnkomplexe, die nicht nur durch ihr Aussehen wie Fremdkörper erscheinen. Die Um- und Neunutzung von Arealen scheint ein Trend in der Stadt Basel zu sein und ist für die An- und Bewohner nicht selten unbefriedigend.
Das Wettsteinquartier – ein familienfreundliches Wohnquartier mit Gemeindezentrum, Quartiertreffpunkten, kulturellen und gemeinnützigen Einrichtungen für Jung und Alt. Seine Baucharakteristika entwickelte das Wettsteinquartier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Durch die Attraktivität der Rheinpromenade formierten sich dort herrschaftliche Wohnhäuser für den gehobenen Mittelstand, im Anschluss kamen auch familienfreundliche und altersgerechte Miet- und Eigentumswohnungsbauten hinzu.
Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden im Quartier vermehrt Industriebauten und man richtete diverse Bildungs- und Kulturstätten sowie Gewerberäume und Ateliers ein. Dies zeichnet sich auch heute noch auf dem Areal der ehemaligen Brauerei Warteck – heute Werkraum Warteck PP – ab. Alles in allem ein lebendiges, durchmischtes Viertel mit Einwohnern, die sich stark mit ihrem Quartier identifizieren.
Der RIVA-Bau – Ein Fremdkörper?
Dem entgegengesetzt entsteht zurzeit auf dem ehemaligen Gelände des Kinderspitals ein Bau mit dunklen Gebäudestrukturen und Glasfassaden: «RIVA» – vier luxuriöse Wohnkomplexe am Schaffhauserrheinweg mit Rheinsicht. Wer sich für die Baufortschritte interessiert, kann diese live und im Rückblick auf einer Webcam verfolgen.
In einem anonymen Ideenwettbewerb im Jahr 2009 hätte die hohe Gestaltungsqualität des neuen Gebäudes gesichert werden sollen, doch inwiefern diese Aufgabe dem Gewinner, dem Basler Büro jessenvollenweider architektur gelungen ist, wird sich erst noch zeigen. Für das Auge gut sichtbar ist jedoch, dass dem Quartier selbst wohl kaum eine solch hohe Aufmerksamkeit gewidmet worden ist wie dem Anspruch auf luxuriöses Wohnen an einer attraktiven Lage mitten in der Stadt, direkt am Rhein, dem Ort, der für die Einwohner und Einwohnerinnen in den letzten Jahren mehr und mehr an Bedeutung gewonnen hat.
Im Jahr 2011 wurde das Grundstück, das an einer ausserordentlich attraktiven Lage liegt, dem Kanton zurückgegeben. In der Folge hat der Kanton ein Bauprojekt entwickelt, das den Ansprüchen der zukünftigen Bewohnern des Areals entsprechen soll. Die Sarasin Anlagestiftung (SAST) wurde aus 37 Bewerbern auserkoren und hat im Januar 2012 das Grundstück im Baurecht für maximal hundert Jahre übernommen. Mehr Informationen dazu findet man im TagesWoche-Artikel über die Sarasin-Stiftung vom 1. Februar 2012.
Basel entdeckt die Umnutzung
Es scheint fast so, als ob Basel zurzeit eine Vorliebe für die Um- und Neunutzung brachliegender oder freigewordener Areale entdeckt hat, welche zuvor entweder von Industrielagern oder Transportunternehmen eingenommen worden sind, wie dies auf dem Dreispitz oder dem Erlenmatt-Areal der Fall war. Auch dort sind diverse Bauprojekte geplant, wobei es sich ebenfalls zu grossen Teilen um Wohnungsbau handelt. Ehemalige Bahn- und Gewerbeareale werden somit zu neuen Wohnquartieren umfunktioniert.
Ähnliches geht auf dem Schorenareal vor sich, welches sich zuvor im Besitz der Novartis befand und nun zu Wohnbauzwecken an den Kanton und diverse Investoren weitergegeben wurde. Eine Siedlung aus Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen ist geplant, die bereits unter dem visionären Titel «Schorenstadt» gehandelt wird (im Rahmen von «Stadtflaneur» ist darüber vor einigen Tagen schon berichtet worden, nämlich hier).
Während sich bei all diesen Projekten ein gemischtes Wohnen abzeichnet, das Bewohner unterschiedlicher Alterskategorien und sozialer Herkunft willkommen heisst, wird sich im Falle des RIVA-Neubaus ein eher einheitliches Bewohnermuster abzeichnen.
Der Luxusgürtel am Rhein
Es sind vor allem gut situierte Bürgerinnen und Bürger, die sich entlang des Rheins ansiedeln, und dennoch fügt sich der elitäre Neubau «RIVA» alles andere als harmonisch in diesen Rheingürtel mit seinen grosszügigen, herrschaftlichen Anwesen ein. Der grösste Clash ergibt sich allerdings in der Gegenüberstellung mit dem zuvor genannten Wohnquartier Wettstein, das sich dahinter anschliesst und von welchem sich die vier Komplexe als exklusive Residenzen der zahlungskräftigeren Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt deutlich abheben.
Im Rahmen der vom Kanton bestimmten Zielsetzung «Stadtwohnen fördern» begünstigt das Bau- und Verkehrsdepartement Wohnraum, der «gut situierte Haushalte und Familien ansprechen» soll. Laut einem Ratschlag an den Grossen Rat vom 13. Oktober 2010 würde damit «der speziellen Lage am Rhein» Rechnung getragen. Geniessen darf aber nur, wer für eine 4,5-Zimmer-Mietwohnung monatlich zwischen 3’000 und 4’600 Franken hinblättern kann oder für eine 3,5- bzw. 4,5-Zimmer-Eigentumswohnung zwischen 930’000 und 2’140’000 Franken.
Freie Wohnungen – doch für wen?
Offensichtlich hat der Verkauf der 25 Luxuswohnungen eher harzig begonnen und rund ein halbes Jahr vor Bezugstermin sind lediglich ein paar Wohnungen verkauft worden. Treffend hat sich Leserin Maya Eldorado geäussert mit ihrem Kommentar «Leerwohnungsbestand» zum TagesWoche-Artikel vom 31. Mai 2013: «Mindestens etwas haben wir diesen teuren Wohnungen zu verdanken. Dank ihnen haben wir immerhin noch einen gewissen minimalen Leerwohnungsbestand. Es wäre mal interessant zu erfahren in welchen Preissegmenten dieser Leerwohnungsbestand ist.»
Wie wird das Wettsteinquartier mit dieser neuen Heterogenität, die durch den luxuriösen RIVA-Bau entsteht, umgehen? Die Frage bleibt auch, ob die RIVA-Bewohner am aktiven Quartierleben teilhaben oder sich mit ihrer vom Kanton auferlegten Exklusivität auf dem Areal des ehemaligen Kinderspitals begnügen werden.