Menschen, die im Flugzeug zwangsweise in ihre Heimat zurückgeführt werden, müssen nach den Regeln der ärztlichen Kunst betreut werden. Die Zentrale Ethikkommission (ZEK) der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) verlangt deshalb Änderungen der gängigen Praxis.
Die für Ärzte auf dem Flug zur Verfügung stehenden Informationen zum Gesundheitszustand der rückzuführenden Personen seien derzeit oft nicht vollständig oder fehlten, moniert die ZEK in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme zur Praxis für die Ausschaffungsflüge.
Sie fordert deshalb, dass die Betroffenen und der begleitende Arzt mindestens 72 Stunden vor dem Ausschaffungsflug informiert werden. Vom Patienten spontan gewünschte oder vom Gefängnisarzt empfohlene medizinische Untersuchungen müssten vor dem Flug ohne Zeitdruck vorgenommen werden können.
Der Gefängnisarzt soll den Patienten zudem motivieren können, medizinische Daten an den den Flug begleitenden Arzt weiterzugeben, damit dieser über die nötigen Informationen verfügt. Sie verlangt dabei, dass die Arzt-Patientenbeziehung und das Arztgeheimnis respektiert werden.
Immer nötig sind laut ZEK Informationen zu Alter, Geschlecht, Zeitpunkt der letzten Mahlzeit und Hungerstreiks bis sechs Monate vor dem Flug. Mit dem Einverständnis des Patienten sollten auch Informationen zu körperlichen und seelischen Leiden, Allergien, Medikamenten und Angaben zur weiteren Behandlung gegeben werden.
Medikamente für mindestens eine Woche
Die medizinische Nachbetreuung von Ausgeschafften muss in den Augen der Kommission soweit wie möglich sichergestellt sein. Dazu gehören nicht nur die nötigen Informationen, sondern auch allenfalls notwendige Medikamente für mindestens eine Woche.
«Problematisch» wird es laut ZEK, wenn Ausschaffungshäftlinge das Gespräch verweigern und die Ärzte auf das abstützen müssen, was sie klinisch feststellen können. Sie fordert darum, dass ein Arzt eine Begleitung verweigern kann, wenn medizinische Gründe gegen den Flug sprechen oder die auszuschaffende Person nicht adäquat beurteilt werden kann.
Die Kantone lassen vor Ausschaffungen auf dem Luftweg ein so genanntes Fit-to-fly-Zertifikat ausstellen, in der Regel vom Gefängnisarzt. Die ZEK hat festgestellt, dass in Einzelfällen auch Polizeibeamte dieses Attest ausstellen. Diese Praxis bezeichnet sie als «nicht akzeptabel».
Fit-to-fly-Zertifikat ersetzen
Die ZEK will das Fit-to-fly-Zertifikat durch eine Untersuchung auf Kontraindikatoren ersetzen, also auf medizinische Kriterien, die gegen eine Zwangsausschaffung auf dem Luftweg sprechen. Der Flug und allfällige Fesselungen seien per se mit medizinischen Risiken verbunden, etwa Stress, Atemstörungen oder Thrombose.
Dass private Unternehmen wie derzeit die Oseara die medizinische Begleitung der Flüge sicherstellen, ist für die ZEK vertretbar. Sie verlangt aber, dass die Begleitärzte für ihre Aufgabe qualifiziert, rechtlich abgesichert und Mitglieder der FMH sind. Damit sind sie verpflichtet, sich an die Standesregeln der SAMW zu halten.
Die Entschädigung für Abklärungen und Begleitung der Flüge sind nach den Vorstellungen der ZEK so anzusetzen, dass «Fehlanreize» ausgeschlossen sind. Für die medizinische Begleitung der Flüge ist vorläufig die private Firma Oseara zuständig. Der Bund hat die Aufgabe im Oktober neu ausgeschrieben.
Von FMH und Gefängnisärzten genehmigt
Die ZEK liess sich im Vorfeld der Stellungnahme von der Firma Oseara, die die vorgeschriebenen medizinischen Begleiter für Ausschaffungsflüge stellt, und der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) über die derzeitige Praxis informieren. Die NKVF stellt unabhängige Beobachter für die Flüge.
Die Stellungnahme wurde vom Vorstand der SAMW, dem Zentralvorstand der FMH und dem Vorstand der Konferenz Schweizerischer Gefängnisärzte (KSG) genehmigt.