«Fury» im Kreuzfeuer von Hacktivisten

Sie nennen sich «Guardians of Peace». Sie haben Sony den Krieg erklärt und den neuesten Film «Fury» ins Netz gestellt, bevor der Kriegsfilm bei uns in den Kinos anläuft. Wir haben ihn gesehen – ganz legal. Der 24. November startete für Sony mit einer Kriegserklärung: «Wir haben Euch gewarnt – das ist erst der Anfang.» […]

Sie nennen sich «Guardians of Peace». Sie haben Sony den Krieg erklärt und den neuesten Film «Fury» ins Netz gestellt, bevor der Kriegsfilm bei uns in den Kinos anläuft. Wir haben ihn gesehen – ganz legal.

Der 24. November startete für Sony mit einer Kriegserklärung: «Wir haben Euch gewarnt – das ist erst der Anfang.» Die Message erschien auf den Bildschirmen der Sony-Hauptzentrale. Absender: Die «Guardians of Peace».

Die Hacktivisten haben mehrere unveröffentlichte Sony-Filme zum Gratis-Download ins Netz gestellt. «Fury» (mit Brad Pitt) ist einer von den Filmen, die die «Guardians of Peace» hinter den feindlichen Linien erobert und weltweit ins Netz hochgehen liessen.

In der Zwischenzeit kursieren von Sony im Netz bereits auch Lohnlisten von Schauspielern, leitenden Angestellten (sie sind alle weiss, alle Männer, bis auf eine Frau) und es steht uns mehr bevor: Die Hacktivisten wollen 100 Terabyte heruntergeladen haben. In einem von Variety veröffentlichten Mail sollen die «Guardians of Peace» auch Familien von Sony bedrohen.

Wer sich allerdings hinter den selbsternannten «Guardians of Peace» verbirgt und was ihre Absichten sind, bleibt unklar. Tatsache ist, dass die Hacker einen Sinn für Ironie besitzen. Im Kriegsfilm «Fury» stösst ein kleiner Haufen von US-Panzer-Grenadieren hinter die Feindeslinien vor, um den Gegner aufzumischen. Das ist erst der Anfang.

Sony sieht sich jetzt selbst hinter den Kriegslinien. Bevor der Kriegs-Film «Fury» bei uns also in den Kinos anläuft, zieht Sony in einen Cyberkrieg. Jetzt sind Special Forces und das FBI im Einsatz. Die erste Kassen-Schlacht ist für Sony allerdings bereits verloren. Über eine Million Mal ist der Film im Netz bereits heruntergealden worden – kostenlos. Kinostart bei uns: Am 1. Januar 2015. Hier der kostenlose Vorbericht:

Ein Kriegsfilm? 

Ganz zu Beginn von «Fury» lauert ein amerikanischer Panzersoldat (und nicht ein «Guardian of Peace») in einem ausgebrannten Tank auf einen deutschen Aufklärer. Er erschiesst ihn und entlässt anschliessend dessen Pferd liebevoll in die Freiheit. Da sollen wir schon wissen: Einer, der mitten im Krieg ein Pferd befreit, kann kein schlechter Mensch sein.

Der pferdefreundliche Sergeant «Wardaddy» Collier (Brad Pitt) macht denn auch klar, dass er den Krieg seit vier Jahren als eine pragmatische Aufgabe sieht. Er sieht es als seine Aufgabe an, Nazis zu erschiessen. Auch als das Greenhorn Norman sich beim ersten Einsatz in seinem Panzer die Hose voll macht, weiss der «Wardaddy» Collier Rat: Er lässt ihn einen SS-Mann abknallen. Das härtet ab. Das weckt den Killer-Instinkt, den er an der Panzer-Front braucht.

Dabei ist Collier doch eigentlich nur ein gläubiger Realist. Äusserst bibelfest witzelt er mit seinen Mannen über Tod, Gerechtigkeit und biblische Liebe. Doch bibelfeste Soldaten sind noch lange keine Gotteskrieger. Ideale und Wirklichkeit prallen selbst in christlichen Kriegen andauernd aufeinander.

Oder ein Antikriegsfilm?

«Ideale sind friedvoll – die Geschichte aber ist gewaltsam.» So einfach sieht es Collier. Er jagt die Deutschen nun schon seit Nordafrika vor sich her. Er hat viel Elend gesehen. Das hat ihn abgehärtet. Aber auch pragmatischer gemacht.

Er ist mit seinem «M4A3E8 Sherman»-Panzer namens «Fury» seit vier Jahren im Kriegseinsatz. Mit ihm kämpfen Boyd Swan (Shia LaBeouf) , genannt die «Bibel», Grady  Travis, genannt «Coon-Ass», und Trini Garcia, der Fahrer. Sie alle nennen ihren Boss «Wardaddy».

Nun soll er mit ihnen – auf deutschem Boden – hinter die Linien des Feindes gelangen, um dem Morden endlich ein Ende zu machen – durch morden. Da lassen sie ihren Wardaddy nicht allein.

Hinter der Frontlinie trifft der letzte Panzer schliesslich auf überlegene deutsche Panzer und auf unerwarteten weiteren Widerstand – weil inzwischen Hitler den totalen Krieg ausgerufen hat und auch Kinder für sich kämpfen lässt.




Aber auch in Colliers Panzer kommt ein Greenhorn zum Einsatz. Norman Ellison, eigentlich Schreiber, wird Collier zugeteilt. Norman ist zum ersten Mal an der Front. Als blutiger Anfänger muss er erst einmal das Blut seines Vorgängers im Panzer wegwischen. Dann lernt auch er langsam, pragmatisch zu töten.

Wie Norman wachsen auch wir an den Aufgaben beim Zuschauen. Auch wir sind in Sachen Kriegzuschauen ja blutige Anfänger. Wir sollen auch gern zu Beginn des Films noch daran zweifeln, ob töten eigentlich Sinn macht. Bis zum Schluss werden auch wir ganz uneingeschränkt darauf eingeschworen, dass man im Krieg besser auch auf Tote noch ein zweites Mal schiesst. Im Krieg weiss man nie genau, wie tot Tote sind.

Oder ein Anti-Antikriegsfilm?

Der Film «Fury» ist altmodisch – aber kein Kriegsfilm. Im Kriegsfilm endet der Krieg mit dem historischen Sieg der Stärkeren. Aber ein Anti-Kriegsfilm ist er auch nicht. Das Hauptargument eines Anti-Kriegsfilms wäre, Krieg sei sinnlos. «Fury» ist vielleicht ein Anti-Anti-Kriegsfilm: Er zeigt die notwendige Verrohung von Siegern, die mit Panzerfäusten Fingerspitzengefühl zeigen sollen.

Der Wardaddy Collier hat nämlich auch seine sanften Seiten. Er lädt im eroberten Städtchen auch mal zwei deutsche Mädchen auf ein Essen ein. Das Greenhorn Norman darf sogar ein deutsches Mädchen küssen. Und die anderen Jungs hält Collier davon ab, das Mädchen auch küssen zu wollen.

Spätestens als die schöne Unbekannte im Beschuss der Deutschen stirbt, ist auch Norman auf Kriegslinie gebracht: Bald wird Norman von seinen Kumpels der Panzer-Crew «Machine» genannt – weil er tötet wie eine solche. Die Nazis sind jetzt seine natürlichen Feinde. Durch deren Tötung wäre dann auch sein Problem natürlich gelöst: Nur ein toter Feind ist ein guter Feind.

Damit sind wir dann ganz biblisch wieder beim Kriegsfilm. Auge um Auge – und auch nicht mehr weit von der anderen Kriegs-Parade-Rolle von Prad Pitt in «Inglorious Basterds». Da konnten wir uns an Kichern über Krieg und Tötenwollen gewöhnen. «Fury» lernt uns nun wieder das  Fürchten – und Tötenmüssen.

Am Ende verstehen wir die Ironie der «Guardians of Peace», die Sony den Krieg erklärt haben, vielleicht doch so: Wollten sie etwa gegen einen Kriegsfilm protestieren? «Wir haben Euch gewarnt – das ist erst der Anfang», haben sie Sony auf die Bildschirme gehackt. Der Anfang wovon? 

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Der Film läuft ab Januar in den Pathé-Kinos.

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