Fussballsongs? Gibt’s nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Französisch – voilà!

Die meisten «official Songs» an Weltmeisterschaften, Europameisterschaften, Olympischen Spielen sind zum Vergessen. Auch der diesjährige. Dabei gäbe es aus französischen Studios so viel besseres zur «culture foot». Eine Auswahl. «This One’s For You»? This One ist zum Vergessen, wie die meisten «official Songs» an Weltmeisterschaften, Europameisterschaften, Olympischen Spielen. Vier Wochen Dauerbeschallung, danach auf Nimmerwiedersehen – […]

Die meisten «official Songs» an Weltmeisterschaften, Europameisterschaften, Olympischen Spielen sind zum Vergessen. Auch der diesjährige. Dabei gäbe es aus französischen Studios so viel besseres zur «culture foot». Eine Auswahl.

«This One’s For You»? This One ist zum Vergessen, wie die meisten «official Songs» an Weltmeisterschaften, Europameisterschaften, Olympischen Spielen. Vier Wochen Dauerbeschallung, danach auf Nimmerwiedersehen – dieses Schicksal wird auch David Guettas Powerplayhouse, die abgenickte Hymne zur Euro 2016, ereilen. Dabei gäbe es aus französischen Studios so viel besseres zur «culture foot». Eine Auswahl.

1. Johnny Halliday: «Tous Ensemble»

Darf nicht fehlen, der Nationalbarde, darum bringen wir’s hinter uns: 1998, als mit der WM letztmals ein kickendes Grossereignis in Frankreich stattfand, holte die Elf um Mittelfeldstratege Zidane den Titel, und das Land fiel in einen Taumel. Der hielt vier Jahre lang an bis zur hoffnungsvollen Titelverteidigung 2002 an der WM in Südkorea/Japan, für die Halliday mit diesem forschen Kampflied hervorkam. «Et dans nos cœurs vous serez toujours vainqueurs», heisst es im Text, der vor Einigkeitsbeschwörung nur so tropfte – bis das Turnier dann anfing. Das beendete der Titelverteidiger in seiner Gruppe mit einem Punkt und null Toren auf dem letzten Platz. Danach war fertig mit «nous sommes tous ensemble», und die grosse Selbstzerfleischung begann.

2. Mano Negra: «Santa Maradona»

Bevor Manu Chao Handlungsreisender für distinguierte Weltmusik wurde, stand er einem ziemlich anarchischen Haufen vor: Mano Negra aus Paris. Die mixten Ska, Punkrock, Chansons und was all ihre (wechselnden) Mitglieder aus ihren Herkunftsländern mitbrachten: Raï aus dem Magreb, karibischen Reggae und alles mögliche aus Lateinamerika, wo die Band mehrmals auf Tour waren. Dort lernte die politisch hochaktive neben allerlei Experimenten des selbstbestimmenden Anarchismus auch die Verehrung kennen, die dem Goldfuss Maradona entgegenschlug, weil er als «Hand Gottes» einst die englischen Imperialisten austrickste. So irgendwie wurde das damals verstanden, und so wurde Maradona, der geniale Trickser, zur Symbolfigur der Systemüberlister, als den ihn auch der nicht minder vom Sozialismus erwärmte Emir Kusturica stilisierte. Mano Negra hatten das verstanden und Wohlgefallen daran gefunden: «Santa Maradona priez pour moi» – den tief Gefallenen gebühren die höchsten Sockel.

3. Julien Doré: «Platini»

Apropos gefallene Helden – auch «les bleus» hatten so einen. Platini war mal «le maestro», der Frankreichs Fussball in den Siebziger- und Achtzigerjahren wie kein Zweiter dominierte. Dann kamen: Karriereende, Funktionärskarriere, Aufstieg an die Spitze der Uefa – und 2015 der tiefe Fall, zusammen mit Fifa-Chef Sepp Blatter. Für die EM im eigenen Lande, sein Projekt, sein Denkmal, ist Platini nicht der Chef, sondern nur blosser Zuschauer, der bereits angekündigt hat, kein Spiel im Stadion sehen zu wollen. Dieser zwiespältigen Persönlichkeit widmete Julien Doré 2013 ein so fein- wie hintersinniges Lied: Traumwandlerischer Pop über einen, der zu grosse Träume stemmte: «Ton pied de porcelaine est gravé à vie», heisst es da. Bis der grosse Stolperer kam.

4. Mickey 3D: «Johnny Rep»

Hymne auf einen fast Vergessenen: Johnny Rep gehörte zur niederländischen Generation des «Totaalvoetbal» um Magistrat Johan Cruyff, die zweimal einen WM-Final verlor. Seine erfolgreichsten Jahre als Spieler hatte er jedoch bei Saint-Etienne in Frankreich, wo er vier Saisons lang spielte. Star des Teams war auch da ein anderer, nämlich Platini, aber Rep trug mit seinen Toren seinen Teil zum Titelgewinn bei. Man erinnert sich an ihn, wenn man in den Achtzigern in der Region Saint-Etienne aufwuchs, und Mickaël Furnon gehörte dazu. Mit seiner Band Mickey 3D steuerte er zum Nouvelle Chansons, der in den Neunziger- und Nullerjahren – befördert durch eine neu eingeführte Radioquote – die französische Musikszene neu belebte, einen Schuss Indie-Rock bei. Keine Ironie, keine verquere Analogie vom Rasenviereck ins kurvige Leben, sondern ein schlichter, respektvoller Fangesang: «Ce soir la lune escorte les champions, et Johnny rep affute ces crampons.» Um danach einzunetzen.

5. Catherine Ringer: «Je kiffe Raymond»

Apropops Fangesang: Sowas in der Form musste auch Catherine Ringer im Kopf (oder sonst wo im Körper) verspürt haben, als sie 2009 dem damaligen Cheftrainer der Équipe Tricolore Raymond Domenech ein paar hitzige Zeilen widmete. Ringer hatte als eine Hälfte der famos abgefahrenen Les Rita Mitsouko mit ihrem global orientierten Avantgarde Pop schon seit den Achtzigerjahren gewusst, wie man für Aufsehen sorgt. Les Rita Mitsouko lösten sich 2007 nach dem Tod ihres Partners Frédéric Chichin auf, Ringer verschwand danach etwas von der Bildfläche – um mit ihren betörenden Worten über Domenech zurückzukehren: «Il est impec ce Domenech / J’aime son image, sa stature de vieux crampon / De son ramage, ouais je monte à l’action.» Ringer agierte damit gewohnt azyklisch: Domenech befand sich in einem anhaltenden Beliebtheitstief, die Spiele seiner Elf waren schlecht, seine Achtung unter den Fussballstars gering, die Presse prügelte auf ihn ein – und da kam Ringer plötzlich mit ihren flotten Liebesjauchzer hervor. Ein Hit wurden sie, wie das Objekt der Anbetung, ebenfalls nicht.

6. Doc Gynéco: «Passement de jambes»

Fussballmetaphern, wer kennt sie nicht. Der eine dribbelt sich durch, der andere hat sich ins Abseits manövriert, der dritte sieht die rote Karte. Doc Gynéco, französischer Rapper der goldenen Generation der Neunzigerjahre, baute darauf die Anfänge seiner Karriere. In «Passement de jambes» von 1996 ist ihm nur gerade der Rekurs auf leuchtende Namen der Fussballgeschichte – Rummenigge, Cantona, und wieder Platini – Massstab genug, um seine eigenen Ambitionen zu formulieren. «Moi je marque des buts même à Dino Zoff» gehört dabei noch zu den bescheidensten Zeilen. Zwei Jahre später schob er ein skurriles Duett mit Bernard Tapie nach, ein ehemaliger Politiker und Chef des Fussballclubs Olympique Marseille. Tapie kennt sich aus mit überbordenden Plänen, zu seiner Zeit gewann «OM» mehrmals die Liga und sogar die Champions League – bevor die Trickserei aufflog, der Club zwangsrelegiert wurde und Tapie ins Gefängnis wanderte.

7. IAM: «Le Feu»

Noch einmal «OM»: Der Club aus der südfranzösischen Hafenstadt ist das Gegenstück zum mondänen, mittlerweile mit Petrodollars überfütterten Paris St. Germain, die Fans gelten als die heissblütigsten des Landes, wenn nicht Europas – und zu ihnen gehören, aller Skandale um Korruption, um Kriminalität unverbrüchlich zum Trotz, IAM. Die Gruppe um die beiden Rapper Akhenaton und Shurik’N teilen sich mit dem Club denselben Nimbus: Gross geworden in den Neunzigern in der ersten Generation des French Rap, jedoch bis heute in der Stadt und der Szene verwurzelt geblieben. Wie eng die Treue zum Verein ist, zeigte sich mit ihrem Durchbruchalbum «Ombre est lumière» – das erschien 1993, im selben Jahr, als «OM» mit dem Sieg in der Champions League erstmals an die Spitze Europas marschierte, und ihre Fans diesen Schlachtruf quer durch den Kontinent trugen: «Ce soir on vous met le feu / C’est nous les Marseillais». Es war ein kurzer Sommer, wenige Monate darauf kam der Club bereits zu Fall. Aber die Melodie, die hört man im Marseiller Vélodrome bis heute.

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