«Das kriegen die hin.» Das ist nach dem Brexit-Votum der Briten der Tenor beim Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der Top-Wirtschaftsmächte. Auch sonst vermeiden die G20-Länder jeden Hauch von Aktionismus – obwohl die Risiken nicht gerade abnehmen.
Philip Hammond war ein gefragter Mann im fernen Chengdu. Der neue britische Finanzminister – gerade erst ein paar Tage im Amt – hatte in der südwestchinesischen Millionen-Metropole ein dichtes Gesprächsprogramm abzuarbeiten. Alles drehte sich beim zweitägigen Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der Top-Wirtschaftsmächte (G20) um die grosse Frage: Wie wollen die Briten nach ihrem Anti-EU-Referendum aus der Europäischen Union aussteigen?
Diese Frage gab zwar viel zu reden. Doch die Botschaft der mächtigen G20-Runde lautete am Ende im Kern: Alles wird gut.
Von dem Alarmismus der vorangegangenen G20-Ministerrunden vor dem Brexit-Votum vor einem Monat war in Chengdu nichts mehr zu spüren. Die Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer jedenfalls sieht sich gut gewappnet, um negative wirtschaftliche Folgen des britischen Referendums zu bewältigen.
In ihrer Abschlusserklärung räumen die G20-Minister zwar ein, dass der Ausgang der Abstimmung zu den Unsicherheiten in der globalen Wirtschaft beigetragen habe. Man hoffe aber, dass Grossbritannien ein enger Partner der EU bleibe.
Signale der Stabilität
Das war’s in Chengdu dann auch schon in Sachen Brexit und Sorgen. Sechs Wochen vor dem G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Hangzhou in Ost-China wollten die wichtigsten Volkswirtschaften ein Signal der Ruhe und Stabilität aussenden.
Auch G20-Gastgeber China konnte zufrieden sein. Von Schelte für seine Überkapazitäten und sein Dumping von Stahl auf dem Weltmarkt sahen die G20 ab. Es sei eben ein «globales Problem, das eine kollektive Antwort erfordert». Alle sollen sich wohl fühlen.
Zwar lässt die Erholung der Weltwirtschaft zu wünschen übrig, aber von zusätzlichen Konjunkturstützen auf Pump, um mögliche negative Brexit-Folgen abzufedern, war in der G20-Runde in der subtropischen 15-Millionen-Einwohner-Region keine Rede. Ganz im Sinne Schäubles. Einhelliger Tenor: Das kriegen die Briten schon selbst hin.
Hammonds Beruhigungspillen
Hammond, der für den Verbleib Londons in der EU eingetreten war, verteilte Beruhigungspillen und sagte, die britische Wirtschaft stützen zu wollen. Von den Plänen seines Vorgängers im Amt des Schatzkanzlers, George Osborne, mit Niedrigsteuern für Unternehmen den globalen Steuerwettlauf anzuheizen und so auch Investoren im Land zu halten, ist offenbar keine Rede mehr.
Auch sonst verzichteten die Teilnehmer in ihrem Reden und Interviews auf Dramatik – trotz der vielen Konjunkturrisiken wie die Terroranschläge, der Ausnahmezustand im G20-Land Türkei, die schwächelnden Banken in Europa, die Flüchtlingsströme oder Konjunkturschwäche in einst boomenden Schwellenländern. Die G20 haben wohlwollend registriert, dass die weltweiten Finanzmärkte aktuell relativ stabil sind. Wohl auch, weil die Notenbanken als Konjunkturstützer früh eingegriffen haben. Doch haben sie ihr Pulver jetzt grösstenteils verschossen.
Ein Anderer nutzte die G20-Bühne in eigener Sache. Der türkische Vize-Premier Mehmet Simsek versicherte den G20-Partnern in Chengdu auf einem Steuer-Symposium noch kurz vor dem Ministertreffen: «Wir werden weiterhin entschieden die demokratischen Prinzipien befolgen.» Und schiebt nach: «Es hat sich nicht wirklich viel verändert.» Was andere G20-Staaten aber angesichts der Festnahme- und Entlassungswelle in der Türkei nicht unbedingt so sehen.
Gern hätten die Türken in der Abschlusserklärung der Minister in Chengdu eine Formulierung gesehen, nach der die G20 den Kurs der Regierung in Ankara stützen. Doch da zogen die anderen Minister nicht mit. Eine Passage dazu im gemeinsamen G20-Kommuniqué war bis zuletzt umstritten. Am Ende wurde die Lage am Bosporus gar nicht extra erwähnt.