Die Ukraine-Krise ist Thema Nummer eins am Mittwochabend beim G7-Gipfel in Brüssel. Vor dem Treffen forderte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel von Russland stärkere Anstrengungen zur Stabilisierung der angespannten Lage in der Ukraine.
«Was wir aktuell sehen, ist allenfalls ein gemischtes Bild», sagte sie. Zwar gebe es von Moskau ermutigende Zeichen, etwa die Präsidentenwahl in der Ukraine zu respektieren. Präsident Wladimir Putin müsse aber endlich seinen Einfluss in der Ostukraine geltend machen, um Gewalt und Einschüchterung durch prorussische Separatisten Einhalt zu gebieten.
Die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim habe jedoch den Ausschluss Moskaus vom Treffen der führenden westlichen Industriestaaten unumgänglich gemacht, sagte die Kanzlerin.
Ursprünglich hätte es ein G8-Treffen geben sollen, an dem auch Russland teilgenommen hätte. Nun ist zum ersten Mal die EU – die ebenfalls Mitglied dieses Gremiums ist – Gastgeberin eines Gipfel-Treffens.
«Die G8 sind eben nicht nur eine ökonomische Gemeinschaft, sondern sie sind auch eine Gemeinschaft, die Werte teilt», sagte Merkel weiter. Dazu gehöre zwingend die Achtung des Völkerrechts.
Vorbereitungen für neue Sanktionen laufen weiter
Die Frage, ob und wann Russland wieder zu den führenden Industrienationen im Kreis der G8 dazu stossen könne, bezeichnete EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy als «verfrüht». Russland müsse «einen ausreichenden Wechsel seines Kurses» zeigen. Man habe Moskau von der G8 nur suspendiert und nicht permanent ausgeschlossen.
Über neue Sanktionen gegen Russland mochte der EU-Ratspräsident nicht sprechen. In der jetzigen Phase gebe es diplomatische und politische Möglichkeiten, dass Russland sich mehr engagiere, um eine Destabilisierung in der Ukraine zu stoppen, sagte er.
Die EU setze die Vorbereitungen für weitere «gezielte Massnahmen» gegen Russland aber fort und werde weitere Sanktionen verhängen, «wenn die Ereignisse dies erfordern». Merkel stiess ins gleiche Horn. Sollten Tendenzen der Einschüchterung in der Ukraine nicht aufhören, sei die EU bereit, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen, sagte sie.
EU will Rest des Assoziierungsabkommen unterzeichnen
Vom G7-Gipfel verspricht sich die deutsche Kanzlerin ein Unterstützungssignal für die Ukraine. Es gehe um Unterstützung der Ukraine sowie um einen Dialog mit Russland, um eine diplomatische Lösung zu finden.
Die EU ihrerseits will die verbleibenden Teile des Assoziierungs- und Handelsabkommens mit der Ukraine «spätestens am 27. Juni dieses Jahres» unterzeichnen, sagte Van Rompuy. Den politischen Teil des Abkommens hatte die EU bereits im März mit der Ukraine unterzeichnet.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso seinerseits äusserte die Erwartung, dass noch im Juli ein internationales Gebertreffen für die Ukraine in Brüssel stattfinden könnte. Vor Jahresende könnte es dann eine internationale Geberkonferenz geben, sagte er. Die internationale Hilfe für die Ukraine müsse stärker koordiniert werden.
EU-Spitzenposten könnte Thema sein
Am Rande des G7-Gipfels könnte auch über die Besetzung von EU-Topposten zur Sprache kommen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte in einer Pressekonferenz, dies sei «nicht ausgeschlossen. Das ist immer eine Möglichkeit».
Gleichzeitig fügte Van Rompuy hinzu, dass das Thema natürlich nicht auf der Tagesordnung des G7-Gipfels in Brüssel stehe. Van Rompuy hatte am letzten EU-Gipfel das Mandat erhalten, mit dem EU-Parlament und den EU-Staaten Konsultationen zu führen.
Während das EU-Parlament sich hinter den Konservativen Jean-Claude Juncker als Spitzenkandidat für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten stellt, hatte vor allem der britische Premier David Cameron Widerstand angemeldet.