Nach dem Scheitern von Waffenruhe-Gesprächen in Kairo fliesst im Gaza-Konflikt wieder Blut. Mindestens 19 Palästinenser wurden bei israelischen Angriffen im Gaza-Streifen getötet. Israel bestätigte zudem den Versuch einer gezielten Tötung des einflussreichen Hamas-Militärchefs.
Mindestens drei Luft-Boden-Raketen wurden nach Angaben von Augenzeugen am späten Dienstagabend auf das sechsstöckige Wohngebäude im Stadtteil Scheich Raduan abgefeuert, in dem Hamas-Kommandant Mohammed Deif wohnte. Nach Angaben der Palästinenserorganisation kamen dabei die Ehefrau und der kleine Sohn von Deif ums Leben.
Über das Schicksal des Militärchefs gab es am Mittwoch keine gesicherten Angaben. Nach Angaben eines Hamas-Sprechers ist der Kommandant des bewaffneten Flügels der Bewegung am Leben. Er sei weiter als Befehlshaber der Angriffe auf Israel im Einsatz.
Es wird angenommen, dass er sich wie die übrige Hamas-Führung in Bunkern versteckt hält. Deif gilt in Gaza als einer der wichtigsten Drahtzieher, er hat schon mehrere versuchte Tötungen durch Israel überlebt. Israel wirft ihm vor, er dirigiere den Gaza-Krieg aus dem Untergrund.
Israel hatte in der Vergangenheit immer wieder politische und militärische Führer der Hamas gezielt getötet. Der spirituelle Führer Ahmed Jassin, der an einen Rollstuhl gefesselt war, kam 2004 bei einem Luftangriff Israels ums Leben. Später tötete Israel auch dessen Nachfolger Abdel Asis Rantisi und 2012 den Hamas-Militärchef Ahmed Dschabari.
Dutzende Raketen abgefeuert
Nach dem Angriff auf Deif feuerten Anhänger des militärischen Hamas-Arms, der Al-Kassam-Brigaden, rund 140 Raketen in Richtung Tel Aviv, wie die Organisation mitteilte. Militante Palästinenser drohten auch mit neuen Angriffen auf den internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv.
Binnen Stunden wurden bei israelischen Angriffen insgesamt 19 Palästinenser getötet und 120 weitere verletzt, wie das Gesundheitsministerium in Gaza mitteilte. Bei einem Luftangriff in Deir al-Balach im Zentrum des Gazastreifens kam am frühen Morgen eine siebenköpfige Familie ums Leben. Aus Israel wurden keine Opfer gemeldet.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor gut sechs Wochen sind nach palästinensischen Angaben mehr als 2030 Menschen im Gazastreifen getötet und mehr als 10’000 verletzt worden. Die meisten der Opfer sind Zivilisten. Auf israelischer Seite kamen 64 Soldaten und drei Zivilisten ums Leben, Hunderte wurden verletzt.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den Bruch der von Ägypten vermittelten Waffenruhe aufs Schärfste. Er sei sehr enttäuscht über das Wiederaufflammen der Feindseligkeiten. Ban rief Israel und die Palästinenser auf, sich umgehend auf eine dauerhafte Feuerpause zu verständigen.
Delegationen verlassen Kairo
Die neue Eskalation beendet eine rund zehntägige Phase relativer Ruhe, in der in Kairo unter Vermittlung Ägyptens über einen dauerhaften Waffenstillstand verhandelt wurde.
Israels Sicherheitskabinett tagte derweil in Tel Aviv, um über das weitere Vorgehen im Gaza-Konflikt zu entscheiden. Rechtsorientierte Minister fordern einen Sturz der Hamas im Gazastreifen. Die Armee habe 2000 Reservisten wieder einberufen, die bereits freigestellt worden waren, bestätigte eine Militärsprecherin.
Israel hatte seine Delegation bereits am Dienstag aus Kairo zurückgezogen, kurz nach dem Beschuss der Negev-Hauptstadt Beerscheba mit palästinensischen Raketen. Auch die meisten palästinensischen Delegierten verliessen die ägyptische Hauptstadt am Mittwoch, darunter Chefunterhändler Assam al-Ahmed.