Der russische Energiegigant Gazprom beschuldigt die Ukraine, aufgelaufene Rechnungen für Erdgaslieferungen in Höhe von umgerechnet rund 790 Millionen Franken nicht beglichen zu haben. Der Vorwurf weckt Erinnerungen an frühere Machtkämpfe.
«Wir sind extrem besorgt über die aktuelle Situation», wurde Gazprom-Chef Alexej Miller am Dienstag von russischen Nachrichtenagenturen zitiert. Zwar habe sein Unternehmen der Ukraine für eine Gaslieferung vom August eine Fristverlängerung gewährt, diese sei jedoch am 1. Oktober ausgelaufen.
Millers Äusserungen deuten in die Richtung eines möglicherweise neuen Gaskonflikts zwischen den beiden benachbarten Staaten, wie es ihn in der Vergangenheit – etwa 2006 und 2009 – schon mehrmals gegeben hatte: «Die Situation ist sehr ernst, da der Vertrag bei Verstössen gegen die Zahlungsbedingungen einen Wechsel zum System der Vorauszahlung vorsieht», sagte der Gazprom-Präsident. «Dieses Problem muss gelöst werden – und zwar jetzt.»
Politischer Machthebel des Kreml
Trotz der Suche nach neuen Bezugsquellen ist die Ukraine nach wie vor höchst abhängig von russischen Gaslieferungen. Beobachter sehen in den schon mehrfach eingestellten Zulieferungen aus Moskau einen politischen Machthebel des Kreml.
Die Ukraine und andere frühere Sowjetrepubliken streben seit langem gen Westen und bemühen sich um engere Beziehungen zur Europäischen Union, was in Moskau misstrauisch verfolgt wird. Für die EU hat die Ukraine ihrerseits grosse Bedeutung als Transitland für russisches Gas.
Ein Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin versicherte am Dienstag, dass die Gazprom-Warnung nichts mit den Hoffnungen der Ukraine zu tun habe, Ende November bei einem Gipfel im litauischen Vilnius das Assoziierungsabkommen mit der EU besiegeln zu können. «Die Gasschulden sind ohne Frage kein politisches Thema und hängen in keiner Weise mit dem Assoziierungsabkommen zusammen», zitierte die Nachrichtenagentur Itar-Tass den Kreml-Sprecher.