Der grösste EM-Erfolg der polnischen Fussball-Geschichte kann die Schwächen des Teams nicht überdecken. Ein Fernsehsender fordert vor dem Viertelfinal gegen Portugal sogar eine tiefgründige Analyse.
Robert Lewandowski humpelte emotionslos aus dem Stadion. Auch in der Heimat war die Begeisterung über den erste EM-Viertelfinal-Einzug eher gedämpft. «Der bisher grösste Erfolg der Weiss-Roten in der EM-Geschichte erfreut, aber nur, wenn die Umstände ausser Betracht bleiben», urteilte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender TVP Info. Es gebe vor dem Viertelfinal gegen Portugal am Donnerstag (21.00 Uhr) «einige Gründe für eine tiefere Reflexion», hiess es.
Auch deshalb, weil der Sieg gegen die Schweiz hürdenreich war. Im Penaltyschiessen setzten sich Lewandowski und Co. mit 5:4 durch, nachdem die Polen vorher grösste Mühe gehabt hatten, das 1:1 über die Zeit zu retten. «Wir mussten bis zum Ende kämpfen und haben wahrscheinlich einen Tick mehr Glück gehabt», gestand Lewandowski, der auch Stunden nach dem Spiel noch mit den Folgen eines Fouls von Fabian Schär zu kämpfen hatte.
Lewandowski kämpft mit den Folgen eines Fouls
«Wenn ich beim Foul von Schär den Fuss auf dem Boden gehabt hätte, möchte ich gar nicht wissen, was passiert wäre. Ich fürchte, dass ich bei diesem Turnier nicht mehr gespielt hätte», sagte der Bayern-Stürmer mit Blick auf die schmerzhafte Szene aus der zweiten Halbzeit am Samstag. Immerhin scheint sein Einsatz gegen Portugal nach jetzigem Stand nicht gefährdet. «Es tut weh, aber es ist noch recht viel Zeit bis zum Viertelfinal», kommentierte Lewandowski, der nach dem vierten EM-Spiel noch immer auf seinen ersten Treffer wartet. Im Penaltyschiessen verwandelte er sicher.
Trainer Adam Nawalka sicherte seinem glücklosen Star dennoch Unterstützung zu und lobte die «phänomenale Arbeit», die der 27-Jährige fürs Team leiste. Doch dass Lewandowskis Tore fehlen, zeigt schon ein simpler Blick in die Statistik. Nur drei Treffer in vier EM-Spielen haben die Polen bisher fernab des Elfmeterschiessens zustande gebracht. Und dass sie immer noch im Turnier sind, hat in entscheidender Weise auch mit zwei arg limitierten Vorrunden-Gegnern (Ukraine, Nordirland) und der Schweizer Abschlussschwäche zu tun.
Ein Denkmal für Goaly Fabianski
Nicht umsonst bedankte sich das Internetportal «Sport.pl» am Sonntag vor allem beim starken Torwart. Lukasz Fabianski verdiene sich für seine vielen Paraden in der zweiten Halbzeit «ein Denkmal». Coach Nawalka räumte Umstellungsprobleme in seinem Team ein: «Wir sollten darauf vorbereitet sein, dass die Mannschaften auf diesem hohen Level auch immer attackieren und nicht nur hinten drinstehen.»
Die Chance auf einen EM-Coup ist dennoch da, zumal auch die Portugiesen im Turnierverlauf bisher kaum überzeugt haben. Nawalkas Marschroute ist es in dieser heissen Phase, für möglichst viele positive Schwingungen im Mannschaftsumfeld zu sorgen. «Wir müssen jetzt mit Optimismus ins nächste Spiel gehen. Wir werden emotional und mental bereit sein», erklärte er. Und gab gleich ein weiteres Versprechen ab: «Ich bin sicher, dass Lewandowski im nächsten Spiel treffen wird. Und dann sollten sich die Gegner fürchten!»