Israel hat am Montag der sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden gedacht. Landesweit heulten zwei Minuten lang die Sirenen. Fast alle Menschen unterbrachen ihre Tätigkeiten und verharrten in stillem Gedenken an die Opfer.
An einer Zeremonie in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem nahmen Israels Präsident Schimon Peres und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teil. Der hatte am Vortag der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen und dem Iran Holocaust-Absichten vorgeworfen.
Vor dem Zweiten Weltkrieg hätten die Staaten und die meisten Juden die von Hitler-Deutschland ausgehende Gefahr aus Angst vor einem neuen Krieg «nicht hören und nicht sehen» wollen, zitierte die Zeitung «Jerusalem Post» aus einer Rede Netanjahus. So wie der Antisemitismus der Nazis zu lange nicht ernst genommen worden sei, werde heute die iranische Gefahr heruntergespielt.
Der Hamas, die Israel nicht anerkennt, warf er vor, Israel zerstören zu wollen und damit einen neuen Holocaust anzustreben. Der Vergleich heutiger Bedrohungen mit dem einzigartigen Verbrechen des Holocausts ist in Israel umstritten.
Knapp sieben Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs leben in Israel noch etwas mehr als 190’000 Holocaust-Überlebende. Die Mehrheit von ihnen überlebte als Minderjährige in Lagern, konnte fliehen oder sich verstecken.
Erinnerung an Vernichtung ungarischer Juden
Im ehemaligen deutschen Vernichtungslager Auschwitz in Polen nahmen zugleich Tausende junger Israelis und Juden aus aller Welt am «Marsch der Lebenden» teil. Mit dem alljährlichen Schweigemarsch von Auschwitz nach Birkenau, dem eigentlichen Todeslager, wollten sie in diesem Jahr vor allem an die Vernichtung der ungarischen Juden erinnern.
Innerhalb von nur wenigen Monaten waren die meisten der rund 800’000 ungarischen Juden von Mai 1944 an in die Todeslager deportiert worden. Schätzungen zufolge wurden allein in Birkenau mindestens 375’000 ungarische Juden ermordet.
Rekordbeteiligung in Ungarn
In Ungarn selbst hatten sich so viele Menschen wie noch nie am sogenannten «Marsch des Lebens» beteiligt. Rund 25’000 Menschen waren am Sonntag in Budapest in Gedenken an die ungarischen Opfer des Holocausts auf die Strassen gegangen.
Ungarn beging in diesem Jahr den 70. Jahrestag des Beginns der Massendeportationen ungarischer Juden im Zweiten Weltkrieg. Israels Botschafter Ilan Mor sprach von einem «wichtigen Tag». Die ungarische Gesellschaft und die internationale Gemeinschaft müssten sich daran erinnern, was vor 70 Jahren geschehen sei, sagte er.
Das Verhältnis zwischen der jüdischen Gemeinde und der rechtsgerichteten Regierung von Viktor Orban ist angespannt – der Ministerpräsident sieht sich immer wieder Vorwürfen ausgesetzt, den Antisemitismus im Land zu fördern.