Im fünften Jahr mit der Kirschessigfliege in der Schweiz haben Versuche im Obstanbau erfolgversprechende Abwehrmassnahmen aufgezeigt: Enge Netze haben nicht nur bei Kirschen gut funktioniert, und bei Beeren und Reben scheint ein Mineralstaub zu wirken.
Die aus Asien eingeschleppte Kirschessigfliege ist mit bis zu zehn Generationen pro Jahr bei günstigen Verhältnissen ein explosives Problem für Obstbauern. Rechnerisch kann ein Weibchen bis zu acht Millionen Fliegen innert eines einzigen Monats produzieren. Drosophila suzukii, wie sie wissenschaftlich heisst, kann dank einem Sägestachel Eier auch in noch nicht weich gereifte Früchte legen und so grosse Schäden anrichten.
Das Schweizer Agrarforschungsinstitut Agroscope koordiniert Studien zur Abwehr dieses Insekts, das unter anderem Baselbieter Kirschen, Walliser Aprikosen und landesweit Weinreben befällt. An einer Tagung im Landwirtschaftlichen Zentrum Ebenrain (LZE) des Kantons Baselland in Sissach BL wurden am Donnerstag Versuchsergebnisse erörtert.
Allein das LZE hat in Zusammenarbeit mit Agroscope, dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick AG und 20 Obstproduzenten ein umfangreiches Praxis-Testprogramm hochgefahren. Im vergangenen Jahr gab es dabei 26 Feldversuche bei acht verschiedenen Kulturen und mit neun Strategie-Varianten.
Viele Kirschen angestochen
Insektenfallen in den Kulturen und der Umgebung sowie die Auszählung der Früchte mit darin abgelegten Eiern zeigten Vorlieben des Insekts: 2016 standen Kirschen mit 14,7 Prozent befallenen Früchten im Schnitt ganz oben auf dem Speiseplan der Fruchtfliege. Dahinter folgten diverse Beeren mit 4,4 Prozent und Reben mit 3,3 Prozent.
Der Befall ist indes von Temperatur und Feuchtigkeit abhängig, da diese Insekten es im Sommer gerne warm und feucht haben, aber nicht heiss und trocken. Offensichtlich Einfluss haben natürliche Refugien wie Hecken in der Nachbarschaft zu Obstanlagen.
Die Schweiz sei dank Biodiversität «ein Schlaraffenland» für die Kirschessigfliege, sagte Dominique Mazzi von Agroscope, Leiterin der nationalen Task Force. Warum die Fliege im Raum Basel mehrere Wochen vor anderen Landesteilen auftrat, ist unklar.
Als eindeutig wirksam erwiesen haben sich zwei Methoden: dicht montierte Netze mit maximal 1,2 Millimetern Maschenweite sowie das Tonmineral Kaolin, wie LZE-Projektleiter Andreas Buser sagte. Hingegen brachten Repellentien (getestet wurde das bei Raps gebräuchliche Bioresan) und Insektizide (Spinosad) keinen ausreichenden Schutz, wie Urs Weingartner vom LZE sagte.
Netz und Staubschleier helfen
Das gemahlen in Wasser gelöste Kaolin hält die Kirschessigfliege indes erst bei etwa viermaligem Auftragen gut von der Eiablage ab. Dann wirkt es dafür auch bis zum nächsten stärkeren Regen nach. Hingegen wirkte Kaolin in Kombination mit dem Repellentium, das Früchte mittels Ausdünstung unattraktiv machen soll, laut Buser schlechter als alleine.
Netze sind ebenso wirksam wie teils mühsam, müssen sie doch zum Ernten geöffnet werden. Bei gestaffelt zu erntenden Früchten bedeutet jedes Öffnen ein Befallsrisiko; Netze müssen sorgfältig geöffnet und wieder geschlossen werden.
Angesichts der erzielbaren Preise macht sie dies für den Rebbau gemäss Buser unbrauchbar als flächendeckende Lösung. Bei Plantagen wie von Niederstammkirschen ist der Preisunterschied von Insekten- zum blossen Hagelnetz hingegen verkraftbar.
Je nach Rebsorte war der Befall mit der Fliege sehr unterschiedlich, auch bei starker Präsenz des Insekts. Fast ganz verschont blieb Blauburgunder, laut Buser vermutlich auch wegen dessen jahreszeitlich später Reife. Am stärksten befallen war die Sorte Cabernet Dorsa – ausgerechnet eine Neuzüchtung für hiesige Verhältnisse im Klimawandel.
Placebo-Hochstämmer
Weiterhin sind jedoch sehr viele Fragen offen, etwa warum Zwetschgen 2016 weitgehend verschont blieben. Eine Herausforderung für die Forscher ist gemäss Mazzi die Rettung der landschaftsprägenden und für die Biodiversität wichtigen Hochstamm-Obstbäume, die Bauern bei Schädlingsbefall wenig bringen und Obstanlagen daneben bedrohen.
Solche Hochstämmer werden aus wirtschaftlichen Gründen ohnehin im Baselbiet bereits mehrheitlich nicht mehr genutzt und gepflegt. Laut Buser wird angesichts der Bedrohung durch die Fliege über resistentere, optisch ähnliche Ersatzpflanzen nachgedacht.
Manche der Studien laufen nun weiter. So stehen im vergangenen Mai verregnete Versuche mit einem Silikat (Zeolith) nochmals an. Zu verfeinern sind laut Mazzi die Fallen, die unter Netze eingedrungene Kirschessigfliegen vom Obst weglocken. Zu prüfen ist auch, ob Kaolin bei Befall auch kurativ wirkt, also die Schadenausbreitung lokal stoppt.
Geforscht wird überdies zu sogenannten Sackgassen-Arten (etwa die Traubenkirsche), wo Kirschessigfliegen gerne Eier ablegen, jene aber nicht ausreifen. Weiterhin in Visier bleiben natürliche Feinde (zum Beispiel Schlupfwespen). Angelaufen ist ferner im Baselbiet ein Feldversuch zu Überwinterungsstrategien des Insekts.