Die US-Regierung setzt Europa bei den Verhandlungen über das transatlantische Handelsabkommen TTIP deutlich stärker und weitreichender unter Druck als bisher bekannt. Das geht aus Abschriften geheimer Verhandlungsdokumente hervor.
Die «Süddeutscher Zeitung» wie auch die Sender WDR und NDR verfügen darüber. Das Material von insgesamt 240 Seiten stellte die Umweltschutzorganisation Greenpeace zur Verfügung. Es soll an diesem Montag veröffentlicht werden, wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet.
Mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen bestätigten den Medien, dass es sich bei den Dokumenten um aktuelle Papiere handelt. Greenpeace ist nach eigenen Angaben im Besitz der Originale.
Demnach droht Washington damit, Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie zu blockieren, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt. Gleichzeitig attackiere die US-Regierung das grundlegende Vorsorgeprinzip beim EU-Verbraucherschutz, der 500 Millionen Europäer derzeit vor Gentechnik und Hormonfleisch in Nahrungsmitteln bewahre, heisst es in dem Bericht der «Süddeutschen Zeitung».
Die Dokumente offenbaren den Angaben zufolge zudem, dass sich die USA dem dringenden europäischen Wunsch verweigern, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. Sie haben stattdessen einen eigenen Vorschlag gemacht, der bisher unbekannt war.
Greenpeace präsentiert Unterlagen
Greenpeace kündigte an, die Unterlagen am Montag um 11 Uhr auf einer Medienkonferenz in Berlin zu präsentieren. Sie sollen auch im Internet zugänglich gemacht werden.
Laut Greenpeace handelt es sich um 13 Vertragskapitel, welche rund die Hälfte des gesamten Abkommens darstellten. Sie zeigen demnach den Stand vor der am Freitag abgeschlossenen 13. Verhandlungsrunde.
Mit der Veröffentlichung will Greenpeace de Öffentlichkeit einen ungefilterten Einblick in den Verhandlungsstand geben. Während die EU ihre Vorschläge veröffentlicht, beharren die USA bislang auf Geheimhaltung ihrer Positionen. TTIP-Gegner üben immer wieder scharfe Kritik an dieser Intransparenz.
Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch sprach mit Blick auf die Unterlagen von einem «Albtraum», der «sehr bald Realität werden» könnte. Besondere Sorge bereiten ihm die Forderungen der USA nach einer Lockerung des Konsumentenschutzes.
So wollten die Vereinigten Staaten Produktverbote zum Schutz der menschlichen Gesundheit nur zulassen, wenn diese wissenschaftlich belegt seien, berichten «SZ», WDR und NDR. Europa dagegen verbietet Produkte wie hormonbehandeltes Fleisch oder Genfood häufig schon vorsorglich bei Hinweisen auf Risiken. In den USA kommt es dagegen oft erst zu Verboten, wenn Menschen zu Schaden gekommen sind.