Gekaufte Studenten schreiben auf Newssites gegen Abzockerinitiative

Der Abstimmungskampf um die Abzockerinitiative treibt immer buntere Blüten. Die Zürcher Agentur Werbeanstalt Schweiz hat Studenten damit beauftragt, auf Online-Portalen Kommentare gegen die Initiative zu schreiben.

Studierende schreiben gegen Bezahlung gegen die Abzockerinitiative (Symbolbild) (Bild: sda)

Der Abstimmungskampf um die Abzockerinitiative treibt immer buntere Blüten. Die Zürcher Agentur Werbeanstalt Schweiz hat Studenten damit beauftragt, auf Online-Portalen Kommentare gegen die Initiative zu schreiben.

Dies haben „Tages-Anzeiger“ und „Bund“ am Samstag publik gemacht. Pikantes Detail: Das besagte Werbebüro hat für den Wirtschaftsdachverband economiesuisse die Plakate und Inserate für dessen acht Millionen teure Kampagne gegen die Abzockerinitiative gestaltet. Economiesuisse-Kampagnenleiterin Ursula Fraefel weist jedoch gegenüber der Nachrichtenagentur sda jegliche Urheberschaft am Projekt zurück.

Initiant ist vielmehr Reto Dürrenberger, der Geschäftsführer und Mitinhaber von Werbeanstalt Schweiz. Über die Studentenvermittlung Poolside hat er fünf Studierende dazu angeheuert, Leserbeiträge auf Online-Portalen wie blick.ch, 20min.ch oder srf.ch im Sinne der Initiativgegner zu kommentieren. Dürrenberger bestätigte auf Anfrage entsprechende Informationen der beiden Zeitungen.

Falsche Namen und Mail-Adressen

Die Studierenden – drei für die Deutschschweiz und je eine Person für die Süd- und Westschweiz – sind dabei mit falschen E-Mail-Adressen und erfundenen Namen vorgegangen.

Laut Dürrenberger ist die Idee zum Projekt nach einem gemeinsamen Tennisspiel mit Poolside-Chef Michael Flückiger entstanden. Sie hätten Angst gehabt, dass die Schweiz sich mit der Abzockerinitiative „ins eigene Bein schiessen“ würde, schrieb er am Samstag in einer Stellungnahme an die sda.

Er und Flückiger hätten als besorgte KMU-Vertreter gehandelt, und zwar ohne Anstoss von anderer Seite. Durch das Kommentieren von Leserbeiträgen seien zusätzliche Argumente dazu geliefert worden, in welchen Bereichen „die Initiative gefährlich ist“. „Wir haben nie Unwahrheiten schreiben lassen.“

Demokratie gefährdet?

Claudio Kuster, Mitinitiant des Volksbegehrens, zeigte sich empört. „Das Initiativkomitee verurteilt solche Manipulationen der direkten Demokratie aufs Schärfste“, teilte Kuster am Samstag via Communiqué mit. Gekaufte und intransparente Meinungsbeeinflussung widerspreche der verfassungsmässig geschützten Garantie der politischen Rechte und beeinträchtige die freie Willensbildung der Schweizer Bürger.

Ihm sei bereits vor etwa drei Wochen aufgefallen, dass bei Artikeln zur Abzockerinitiative eine Menge ähnlich klingender Kommentare aufgetaucht seien. Die Inhalte seien zum Teil schlicht und einfach kopiert worden.

Die Betreiber der Online-Portale seien nun gefordert, diesem Betrug einen Riegel zu schieben. Sie sollen die Sichtung und Freischaltung der Kommentare ernst nehmen und verschärfen, forderte Kuster in der Stellungnahme.

Projekt zurückgezogen

Nötig sein dürfte dies zumindest im aktuellen Fall nicht mehr. Werbeanstalt-Geschäftsführer Dürrenberger bestätigte am Samstag gegenüber der sda, dass das Projekt mit den Studenten mit sofortiger Wirkung gestoppt wird. Er und sein langjähriger Freund Flückiger wollten „nicht noch mehr Öl ins Feuer giessen“.

Economiesuisse-Kampagnenleiterin Fraefel begrüsste Dürrenbergers Rückzug. Die Inhalte der Initiative sollten im Zentrum der Debatte stehen und nicht die Polemik darumherum, sagte sie auf Anfrage. Economiesuisse wisse genug Politiker und Wirtschaftsführer auf seiner Seite, um die Diskussion mit normalen Mitteln zu führen.

Abstimmung am 3. März

Das letzte Wort in der Angelegenheit hat das Schweizer Stimmvolk. Es wird am 3. März über die Initiative „gegen die Abzockerei“ entscheiden. Die Initiative will die Aktionärsrechte bei Publikumsgesellschaften stärken. So sollen die Aktionäre an der jährlichen GV über die Gehälter der Geschäftsleitung abstimmen können. Die GL-Mitglieder würden nur noch für ein Jahr gewählt.

Sagt das Stimmvolk Nein, tritt automatisch der Gegenvorschlag in Kraft. Der Gegenvorschlag lässt den Unternehmen und Aktionären im Gegensatz zur Initiative die Wahl, wie sie über die Entlöhnung der Geschäftsleitung abstimmen wollen. Laut Gegenvorschlag sollen die GL-Mitglieder zudem für eine Amtszeit von zwei oder drei Jahren bestimmt werden.

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