Die aargauische Gemeinde Oberwil-Lieli hat nach langem Widerstand beschlossen, Asylbewerber aufzunehmen. An der Gemeindeversammlung vom Freitagabend wurde die Bevölkerung davon in Kenntnis gesetzt.
Der Gemeinderat will einer fünfköpfigen, christlich-syrischen Familie, die in der Schweiz vorläufig aufgenommen wurde, ab Januar eine Unterkunft und Betreuung anbieten. Wo die Familie wohnen wird, ist derzeit noch nicht klar.
Der Gemeinderat hatte die Bevölkerung via Gemeindeblatt gebeten, ihr leerstehende Wohnungen zu melden. Bisher sei der Aufruf erfolglos geblieben, sagte Gemeindeschreiberin Cornelia Hermann. Die Gemeinde selber besitze zwar eine Wohnung, doch diese werde erst im Juli frei.
Mit der Aufnahme von fünf Asylbewerbern erfüllt die Gemeinde auf dem Mutschellen allerdings nur die Hälfte der vom Kanton berechneten Quote. Die anderen Asylbewerber, die Oberwil-Lieli aufnehmen müsste, sollen in einer Verbundlösung in der nahen Gemeinde Rudolfstetten-Friedlisberg untergebracht werden.
Davon nahm die Bevölkerung an der Gemeindeversammlung ebenfalls Kenntnis. Sowohl gegen die Aufnahme wie auch gegen die Verbundlösung gab es an der Gemeindeversammlung keine Opposition.
Abstimmen konnten die Einwohnerinnen und Einwohner von Oberwil-Lieli am Freitagabend einzig über eine Spende in Höhe von 50’000 Franken an die Organisation www.schwizerchrüz.ch für Flüchtlingshilfe vor Ort. Der Kredit wurde mit einer Gegenstimme genehmigt.
Die private Organisation unterstützt seit August 2015 flüchtende Menschen in Griechenland und der Türkei. Der Gemeindeammann von Oberwil-Lieli, SVP-Asylchef und -Nationalrat Andreas Glarner, hatte anfangs Juli in Griechenland zwei Flüchtlingscamps der Organisation besucht und dort vor Ort das Flüchtlingselend beobachten können.
International für Aufsehen gesorgt
Die Gemeinde hatte sich davor monatelang gegen die Aufnahme von Asylbewerbern zur Wehr gesetzt und damit internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Auch die massive Erhöhung der Ersatzzahlungen, die der Kanton Aargau den Gemeinden aufbrummte, konnte die Einwohner vorerst nicht umstimmen.
Noch im Juni hatte die Gemeindeversammlung auf Antrag des Gemeinderates beschlossen, 290’000 Franken ins Budget aufzunehmen, damit sich die Gemeinde von der Aufnahmepflicht «freikaufen» konnte. Gleichzeitig wurde der Gemeinderat damals beauftragt, zu prüfen, ob eventuell dennoch Asylbewerber aufgenommen werden sollen.
Der Budgetgenehmigung war eine mehrmonatige Kontroverse vorausgegangen. Ende November 2015 hatte die Gemeindeversammlung überraschend beschlossen, die im Budget eingestellten 290’000 Franken nicht für die Ersatzzahlung an den Kanton wegen Nichtaufnahme von Asylsuchenden zu verwenden.
Dieser Beschluss wurde mittels Referendum angefochten und bei einer Urnenabstimmung am 1. Mai knapp wieder umgestossen.