Geri Müller, Badener Stadtammann und Nationalrat, erhält nach der «Nackt-Selfie»-Affäre zwei seiner drei Ressorts im Badener Stadtrat zurück und ist bereit für eine «konstruktive Zusammenarbeit». Zudem möchte der 54-Jährige das Vertrauen seiner Kollegen zurückgewinnen.
«Das Vertrauen ist eine Frage des Prozesses, der Begegnungen und der konkreten Arbeiten», sagte Müller auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda: «Der Stadtrat und ich müssen diesen Weg gehen.»
Alle Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat könnten wieder voll in ihren Ressorts arbeiten, sagte Müller. «Ich bin überzeugt, dass wir nun vorwärts machen können. Wir haben uns für diesen Weg entschieden – und das ist nicht der Weg zu Neuwahlen.»
«Es braucht jetzt eine konstruktive Zusammenarbeit», so der Stadtammann weiter. Die Grundlage dazu sei geschaffen worden. «Es wird jetzt wieder Kraft und Energie frei.»
Wohl der Stadt
Der Stadtrat habe im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten entschieden, «nach vorn zu schauen», teilte die Stadtkanzlei am Freitag mit. Man stelle damit «das Wohl der Stadt und der Bevölkerung in den Vordergrund».
Die Stadtregierung habe den Entscheid zur Rückgabe der zwei Ressorts an Müller nach nach Abklärungen und einer Mediation gefällt. Sie habe den pragmatischen Weg gewählt, schrieb die Regierung am Freitag. Mit der Mediation sollte die Situation geklärt und «im Rahmen der demokratischen Grundsätze» eine tragfähige Lösung gefunden werden.
Ein Ressort weniger
Müller waren im Nachgang der so genannten «Nackt-Selfie»-Affäre Anfang September seine Ressorts in der Badener Stadtregierung entzogen worden. Für zwei davon, die Finanzen und das Ressort Stadtentwicklung, ist Müller nun wieder verantwortlich.
Für das Standortmarketing jedoch, ein laut dem Communiqué «stark nach aussen orientiertes Ressort», zeichnet nicht mehr Müller, sondern neu Stadträtin Ruth Müri verantwortlich.
Die bürgerlichen Stadtparteien FDP, CVP und SVP hatten Müller wiederholt aufgefordert zurückzutreten. Seine Autorität als Stadtammann und Repräsentant für die Stadt sei nicht mehr ausreichend gegeben. Die Bürgerlichen kritisierten die Rückgabe der Ressorts an Müller.
Seit der faktischen Entmachtung durch das Kollegium stand Müller nur noch der Verwaltung vor, führte das Ressort Dienste und leitete die Stadtratssitzungen. Vizeammann Markus Schneider (CVP) übernahm interimistisch die Ressorts von Müller.
Ob der Entscheid des Stadtrates, Müller kalt zu stellen, einer rechtlichen Prüfung Stand gehalten hätte, ist unklar. Die Amtszeit von Müller, der im Herbst 2013 als Stadtammann vom Volk wiedergewählt worden war, dauert bis 2017.
Müller denkt über Nationalratsmandat nach
Ob Müller auch Nationalrat bleiben und sich im Herbst 2015 der Wiederwahl stellen will, bleibt vorerst offen. Er werde sich das «sehr sorgfältig» überlegen und habe sich noch nicht entschieden, sagte Müller. Er gehört für die Grünen Aargau seit 2003 dem Nationalrat an.
Die «Nackt-Selfie»-Affäre nahm Mitte August ihren Lauf. Die Zeitung «Schweiz am Sonntag» hatte am 17. August berichtet, dass Müller von seinem Stadthausbüro aus einer 33-jährigen Chat-Bekannten Nacktbilder geschickt hatte. Er soll demnach versucht haben, die Frau später zu überreden, die Bilder zu löschen.
Nach Selbstmorddrohungen der Frau schaltete Müller die Polizei ein. Die Polizei hielt die Frau in Baden an und befragte sie. Müller reichte bei der Staatsanwaltschaft Bern-Seeland am 14. August eine Strafanzeige gegen die Chat-Bekanntschaft ein. Die Strafuntersuchung ist noch nicht abgeschlossen.