Vor dem Mordprozess gegen die fünf mutmasslichen Peiniger des indischen Vergewaltigungsopfers hat das Gericht den Beschuldigten ein Ultimatum zur Suche eines Anwalts gesetzt. Die Männer sitzen noch ohne Rechtsbeistand in Neu Delhis berüchtigtem Tihar-Gefängnis.
Sollten sie bis zur nächsten Anhörung an diesem Donnerstag niemanden gefunden haben, würden ihnen Pflichtverteidiger gestellt, sagte Richterin Namrita Aggarwal in Neu Delhi vor Journalisten nach der kurzen Anhörung. Danach soll ein Schnellgericht den Fall übernehmen.
Am Montag wurden den Beschuldigten Kopien der Anklageschrift überreicht, bevor die Polizei sie zurück ins Gefängnis brachte. Ihnen droht die Todesstrafe. Zwei von ihnen erklärten sich in der Hoffnung auf mildere Strafen zur Zusammenarbeit mit der Justiz bereit.
Tumultartige Szenen
Aggarwal hatte die Öffentlichkeit am Montag von der Vorführung der Verdächtigen ausgeschlossen. Sie liess den überfüllten Gerichtssaal räumen, weil sie die Sicherheit der mutmasslichen Vergewaltiger in der chaotischen Menge gefährdet sah.
Demnach drängten sich rund 150 Menschen in einen für 30 Plätze vorgesehenen Saal, darunter Dutzende Anwälte und Journalisten. Dort kam es zu tumultartigen Szenen.
Anwälte stritten untereinander, nachdem zwei von ihnen angeboten hatten, die Beschuldigten zu vertreten. Sie wollten damit einen Boykott der Anwaltskammer in dem Distrikt brechen, die beschlossen hatte, eine Verteidigung der Männer „aus moralischen Gründen“ zu verweigern.
Todesstrafe gefordert
Wann der Mordprozess gegen die fünf erwachsenen Beschuldigten vor dem neu geschaffenen Schnellgericht beginnen soll, blieb zunächst offen. Beim sechsten Verdächtigen wird mithilfe von Knochentests geprüft, ob er – wie von ihm selbst behauptet – minderjährig ist. Dann käme er vor ein Jugendgericht, das keine Todesstrafen verhängt.
Den sechs Männern wird vorgeworfen, Mitte Dezember eine 23-jährige Studentin in einem Bus in Neu Delhi vergewaltigt, schwer misshandelt und anschliessend mit ihrem Freund aus dem Fahrzeug geworfen zu haben. Die junge Frau war Ende Dezember an den Folgen des Übergriffs gestorben. Ihr Schicksal hatte eine Welle von Protesten in Indien ausgelöst.
Weitere Gewaltakte
Indische Medien meldeten unterdessen eine Reihe weiterer Gewaltakte gegen Frauen. Demnach wurde in Noida, einem Vorort Neu Delhis, die Leiche einer vermutlich vergewaltigten und ermordeten Frau gefunden. Die „Times of India“ berichtete, zwei Verdächtige seien festgenommen worden, ein Dritter sei auf der Flucht. Fünf Polizisten seien vom Dienst suspendiert worden, nachdem sich ihre Wache zunächst geweigert habe, eine Anzeige aufzunehmen.
Die Nachrichtenagentur IANS meldete, dass ein Mann und ein Jugendlicher eine 15-Jährige in Neu Delhi vergewaltigt hätten. Der Nachrichtensender NDTV berichtete, im zentralindischen Bundesstaat Chhattisgarh seien ein Lehrer und ein Wachmann unter dem Vorwurf festgenommen worden, vier Schülerinnen vergewaltigt zu haben.
Im ostindischen Bundesstaat West-Bengalen sei ein 40-Jähriger festgenommen worden, der verdächtigt werde, vier Mädchen im Alter zwischen fünf und zehn Jahren vergewaltigt zu haben.