Anfang 2013 beginnt in St. Gallen die erste Tiefenbohrung für das geplante Geothermie-Kraftwerk. Dass dadurch Erdbeben ausgelöst werden, ist laut Experten unwahrscheinlich. Zur Überwachung hat der Schweizerische Erdbebendienst sechs neue Messstellen eingerichtet.
In Basel musste 2006 ein Versuch zur Nutzung der Erdwärme aus fünf Kilometern Tiefe abgebrochen werden, weil es zu Erdbeben kam. In St. Gallen sei dieses Risiko sehr klein, sagte Stefan Wiemer vom Schweizerischen Erdbebendienst der ETH am Donnerstag vor den Medien.
Die Projekte in Basel und St. Gallen seien verschieden. In Basel sei es zu den Erdstössen gekommen, weil man unter grossem Druck grosse Mengen Wasser in die Tiefe gepresst habe. In St. Gallen wird in einer Tiefe von gut 4000 Metern eine Gesteinsschicht angebohrt, die laut den Probebohrungen von Natur aus heisses Wasser führen soll.
Dieses Wasser soll an die Oberfläche gepumpt werden. Nach dem Entzug der Wärme für das Kraftwerk soll das abgekühlte Wasser durch eine zweites Bohrloch wieder in den Untergrund gepumpt werden. Wenn genügend heisses Wasser vorhanden sei, sei ein künstliches Aufbrechen des Gesteins nicht nötig. „Deshalb ist beim St. Galler Verfahren im Vergleich zum Basler Projekt nicht mit Mikrobeben zu rechnen“, sagte der Wissenschaftler.
Kritische Phase im Mai
Nur wenn zu wenig heisses Wasser gefunden werde, versuche man in St. Gallen, das Gestein aufzubrechen. Diese sogenannte hydraulische Stimulation würde, falls nötig, im Mai durchgeführt, sagte der zuständige St. Galler Stadtrat Fredy Brunner.
Um die Gesteinsschicht durchlässiger zu machen, wird dabei unter hohem Druck Wasser ins Sedimentgestein gepresst. Im Gegensatz zum Projekt in Basel, würde dieser Vorgang nur sechs Stunden dauern und es würden höchstens 250 Kubikmeter Wasser eingepresst. In Basel wollte man 11’570 Kubikmeter Wasser ins Gestein pressen. Nach sechs von geplanten 21 Tagen wurde das Projekt wegen eines Erdbebens der Magnitude 3,4 gestoppt.
Minimales Restrisiko
Das Geothermie-Projekt in St. Gallen ist das erste solche Projekt in der Schweiz. Bei vergleichbaren Vorhaben im Ausland, zum Beispiel bei Paris oder München, habe es keine sogenannt induzierten Erdbeben gegeben. Ein minimales Restrisiko bleibe jedoch, sagte Wiemer.
Um die Bohrungen zu überwachen, hat der Schweizerische Erdbebendienst beim Bohrloch im Westen der Stadt St. Gallen und an fünf weiteren Punkten in zehn Kilometern Entfernung neue Erdbebenmessstellen eingerichtet.
Bereits seit einigen Monaten laufen die Messungen, damit auch die natürlich vorkommenden Erdbeben registriert werden. Die Resultate können auf der Webseite der ETH Zürich abgerufen werden. Falls es während der Bohrungen zu einem Erdbeben käme, würden die Verantwortlichen automatisch alarmiert. „Wir könnten dann rechtzeitig reagieren“, sagte Wiemer.
Hälfte der Stadt heizen
Laut geologischen Abklärungen wird unter der Stadt St. Gallen in 4000 Metern Tiefe heisses Wasser vermutet. Gewissheit bringen aber erst die Bohrungen. Die Stimmberechtigten der Stadt hatten das Erdwärme-Projekt im Umfang von 160 Millionen Franken im November 2010 gutgeheissen.