In den Kantonen St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden ist eine Gesamtschau über die grosse Zeit der Ostschweizer Textilindustrie gestartet. Erinnert wird dabei auch an die oft harte Arbeitswelt mit heute unbekannten Berufen.
Kreuz und quer durch die Ostschweiz führen die Wege zu den acht Standorten von «Iigfädlet», der grossen Ausstellung über die Textilindustrie: von St. Gallen über Heiden oder Urnäsch bis nach Altstätten oder Ebnat-Kappel.
Konzipiert ist «Iigfädlet» als Gesamtschau, bei der jedes Museum mit einem eigenen Thema an die Zeit erinnert, als modische Kreationen und technische Erfindungen der Region zu weltweitem Ruhm verhalfen. Dabei kontrastierten die berühmten Stickereien mit einer oft auch harten Arbeitswelt.
Heute unbekannte Berufe
Vor allem bei den Handstickern war Kinderarbeit auch dann noch eine stillschweigend akzeptierte Voraussetzung, als sie in den Fabriken bereits abgeschafft war. Einer der Gründe: Nur kleine Kinderhände konnten die feinen Fäden einspannen.
An die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Textilindustrie erinnert das Appenzeller Volkskundemuseum in Stein AR. Dort werden die Berufe vorgestellt, die sich während der Blütezeit der Stickerei entwickelten. Viele der Bezeichnungen in den Stelleninseraten, die zwischen 1828 und 1915 erschienen, sind heute unbekannt, die verlangten Tätigkeiten gibt es längst nicht mehr.
Noch am ehesten geläufig sind die Aufgaben eines Ferggers: Das waren Mittelsmänner zwischen den Handstickern und den Textilfirmen. Sie holten Aufträge ein und lieferten die fertigen Produkte wieder ab.
In den Zeitungen wurden etwa auch Puncher gesucht. Diese Spezialisten übertrugen technische Zeichnungen auf eine Punchkarte, die analog dem Lochkartensystem, die Stickautomaten steuerte.
Mustermädchen gesucht
Eine Andreherin musste den Webstuhl einrichten, neue Kettfäden einspannen und sie mit den alten verknüpfen. Gefragt waren aber auch Ätzsticker oder Fädlerinnen. Die Betriebe suchten nach Fluderstickerinnen oder Mustermädchen. Senger mussten die hervorstehenden Fasern abbrennen.
Ein Teil dieser Berufe werden im kleinen Museum samt der dafür benötigten Utensilien vorgestellt. Zu sehen ist etwa das schöne alte Motorrad, mit dem der Fergger Bernhard Hollenstein noch bis 1993 zu seinen Heimstickern unterwegs war.
Zu sehen sind auch praktische Entwicklungen, die die anstrengenden Arbeiten erleichtern sollten. Dazu gehört eine Laterne mit einer Petrollampe im Zentrum, von der das Licht über mit Wasser gefüllte Glasbirnen auf einzelne Stickplätze verteilten werden konnte. Ausgestellt ist auch ein Kohleofen, auf dem mehrere Bügeleisen warm gehalten werden konnten.
Im Untergeschoss des Museums sind einige der eindrucksvollen Stickmaschinen aufgestellt, wie sie früher zu Hunderten in den Kellern im Appenzellerland, im Toggenburg, im Fürstenland oder im Rheintal in Betrieb waren.
Kopierbare Stickvorlage
Neben den Maschinen steht je eine Fädelmaschine, ein mechanisches Wunderding, das einen Faden mit Häkchen und Rollen in ein Nadelöhr einfädeln und mit einem Knopf versehen kann. Ausgestellt sind auch Punchrollen, die als Vorläufer von Computerprogrammen gelten könnten. Sie wurden sorgfältig aufbewahrt, falls Kunden die gleichen Muster nochmals bestellen wollten.
Weiter finden sich in einer der Schachtelvitrinen eine Stickvorlage, die kopiert werden konnte. Die Konturen der Muster sind mit feinen Nadelstichen markiert. Damit sich die Vorlage auf dem Stoff darunter abbildete, musste geriebener Graphit darüber gestreut werden.
«Iigfädlet», die Gemeinschaftsausstellung der acht Ostschweizer Museen, dauert noch bis zum 29. Oktober.
www.iigfädlet.ch