Nach dem mutmasslichen Mord an Dutzenden Studenten in Mexiko haben sich Demonstranten gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Etwa 2000 Studenten und Lehrer steckten am Dienstag in der Provinzhauptstadt Chilpancingo den Regionalsitz der Regierungspartei PRI in Brand und schleuderten Steine sowie Feuerwerkskörper auf die Polizei.
Die Beamten feuerten Tränengas in die Menge. Mindestens ein Journalist wurde bei den Zusammenstössen im Südwesten des Landes verletzt. Bereits zuvor war es zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen.
Am Montag hatten Demonstranten den Flughafen der Hafenstadt Acapulco besetzt. Für rund drei Stunden legten sie den Betrieb lahm, mehrere Airlines mussten ihre Flüge verschieben, wie der Flughafenbetreiber mitteilte. Im Flughafen sprühten die Demonstranten Graffiti gegen Präsident Enrique Peña Nieto an die Wände.
Die Professoren und Studenten des Lehrerseminars Ayotzinapa sowie Angehörige forderten Aufklärung über das Schicksal von 43 jungen Leuten, die Ende September im Bundesstaat Guerrero von Polizisten verschleppt und der kriminellen Organisation «Guerreros Unidos» übergeben worden waren.
Zwei Bandenmitglieder haben eingeräumt, die Studenten getötet und verbrannt zu haben. Die Familien der Opfer weisen die Ermittlungsergebnisse aber zurück.
Angehörige fordern Untersuchung
«Wir sind die Lügen satt. Unsere Kinder sind nicht tot», sagte der Vater eines der Verschleppten. Die Angehörigen forderten eine unabhängige Untersuchung des Fallse durch die Interamerikanische Menschenrechtskommission.
Am Dienstag wollten sich die Angehörigen in Guerreros Hauptstadt Chilpancingo erneut mit Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam treffen. Ausserdem solle die gemeinsame Kommission aus Behörden, Angehörigen und Menschenrechtlern gegründet werden, auf die sich die Opferfamilien bei einem Treffen mit Präsident Peña Nieto geeinigt hatten, sagte der Sprecher der Angehörigen, Felipe de la Cruz.
Ob die Tat jemals vollständig aufgeklärt werden kann, ist allerdings fraglich. Nur zwei am Tatort gefundene Knochen seien in einem Zustand, der eine DNA-Probe zulasse, sagte Generalstaatsanwalt Karam am Montag im Fernsehsender Televisa. Sie würden nun an der Universität Innsbruck untersucht.
Die Leichen wurden mit Benzin übergossen und sollen 14 Stunden lang gebrannt haben. Nach Einschätzung der Ermittler herrschten auf dem Scheiterhaufen Temperaturen bis zu 1600 Grad. Das macht die meisten Überreste für die Analyse unbrauchbar.
Hinweise auf Identität der verbrannten Leichen
Auch wenn sie noch nicht identifiziert sind, gebe es starke Hinweise, dass es sich bei den Opfern um die vermissten Studenten handle, sagte Generalstaatsanwalt Murillo Karam im Interview des Radiosenders Fórmula.
Der Chef der «Guerreros Unidos» habe in der Vernehmung von einem Anruf seines Vertreters am Tag nach der Tat berichtet. «Wir haben sie zu Asche gemacht und in den Fluss geworfen. Sie werden sie niemals finden», habe er ihm gesagt.
Ermittler: Bürgermeister ordnete Massaker an
Die Ermittler vermuten, dass der Bürgermeister der Stadt Iguala, José Luis Abarca, das Vorgehen gegen die Studenten angeordnet hat, um zu verhindern, dass sie eine geplante Rede seiner Frau stören.
Nach mehrwöchiger Flucht wurde das Paar, das Verbindungen zur Drogenmafia unterhalten soll, am vergangenen Dienstag in Mexiko-Stadt gefasst. Insgesamt gab es bislang 74 Festnahmen in dem Fall, darunter 36 Polizisten und mehrere Mitglieder von «Guerreros Unidos».
Menschenrechtsaktivist Pater Alejandro Solalinde sagte am Dienstag im Radiosender MVS, die Behörden versuchten, den Fall als reine Tat der organisierten Kriminalität darzustellen. Es handle sich aber vielmehr um ein Staatsverbrechen.