Abkühlende Konjunktur und Euro-Krise zum Trotz: Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) geht davon aus, dass sich die Schweizer Wirtschaft höhere Löhne leisten kann. Für die Lohnrunde 2013 fordert er deshalb 1,5 bis 2,5 Prozent mehr Lohn. Vor allem die Arbeitnehmenden mit den tiefsten Einkommen sollen profitieren.
Die Lohnerhöhungen der letzten Jahre seien „recht bescheiden“ ausgefallen, sagte SGB-Präsident Paul Rechsteiner vor den Medien in Bern. Allerdings nicht für alle: Unter dem Strich hätten Angestellte mit hohen Löhnen stärker profitiert. Dies habe zu einer „immer schieferen Einkommensverteilung“ geführt.
Die Ursache dieser Entwicklung sieht Rechsteiner in der „Individualisierung der Lohnpolitik“. Die Lohnerhöhungen sollten künftig für die ganze Branche ausgehandelt werden – nur so könne die „Fehlentwicklung der letzten Jahre“ korrigiert werden.
Tiefer Lohn trotz Lehre
Den grössten Nachholbedarf sieht der SGB bei den tiefen und mittleren Löhnen. Die Lohnzunahmen seien oft von der Teuerung wieder weggefressen worden, sagte Rechsteiner.
Als besonders bedenklich bezeichnete SGB-Chefökonom Daniel Lampart die Lage für Arbeitnehmende mit abgeschlossener Lehre. Zwischen 2002 und 2010 seien deren Löhne real durchschnittlich um 0,5 Prozent zurückgegangen. Zudem würden mehr als 140’000 Beschäftigte mit Lehre weniger als 4000 Franken im Monat verdienen.
Dies reiche oft nicht zum Überleben, so Lampart, vor allem in Haushalten mit Kindern. Auch sende die aktuelle Situation ein „sehr schlechtes Zeichen“ aus. Denn von den erwarteten Einkommen hänge der Entscheid ab, ob jemand überhaupt eine Lehre mache.
Mindestlöhne anheben
Die Gewerkschaften möchten der Stagnation bei den tiefsten Einkommen mit einer Anhebung der Mindestlöhne entgegenwirken. Der Lohnsockel solle um 100 Franken pro Monat angehoben werden, für die Druckindustrie sogar um 200 Franken.
Mit seiner Forderung nach 1,5 bis 2,5 Prozent mehr Lohn setzt der SGB die Messlatte sogar etwas tiefer als im vergangenen Jahr. 2011 lag die geforderte Bandbreite zwischen 2,0 und 3,0 Prozent.
Die Verhandlungsvorgaben bezeichnet SGB-Präsident Rechsteiner als „massvoll“ und „wirtschaftlich gerechtfertigt“. Denn der Gewerkschaftsbund geht davon aus, dass in den Unternehmen das Geld für höhere Löhne vorhanden ist.