Im Streit um eine mögliche Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff in Brasilien hat der Senat einen Stopp des dafür nötigen Verfahrens abgelehnt. Das Amtsenthebungsverfahren solle wie geplant fortgesetzt werden, erklärte am Montag Senatspräsident Renan Calheiros.
Er stellte sich damit gegen den Übergangspräsidenten des Abgeordnetenhauses, der das bereits erfolgte Votum der Parlamentskammer für ein Amtsenthebungsverfahren zuvor überraschend annulliert hatte. Calheiros kündigte in einer Sondersitzung des Senats an, dass er die «absolut unangebrachte» Anweisung des Übergangspräsidenten des Abgeordnetenhauses, Waldir Maranhao, ignorieren werde.
Dieser hatte zuvor die Mitte April im Abgeordnetenhaus erfolgte Zustimmung für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff für ungültig erklärt. Er ordnete zugleich eine Wiederholung der Beratungen und damit einen Neustart des gesamten Prozesses an.
Maranhao machte geltend, dass die Beratungen des Abgeordnetenhauses vom 15. bis 17. April durch eine «Vorverurteilung» der Präsidentin gekennzeichnet gewesen seien. Rousseffs Recht auf «umfassende Verteidigung» sei verletzt worden, befand er.
Das Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff sollte in dieser Woche eigentlich in die entscheidende Phase gehen. Die 81 Senatoren wollen am Mittwoch eine entscheidenden Sitzung abhalten, bei der Rousseff zur juristischen Prüfung der Vorwürfe gegen sie für zunächst 180 Tage suspendiert werden sollte. Diese will Calheiros offenbar stattfinden lassen. Am Freitag hatte sich bereits ein Sonderausschuss des Senats für die Amtsenthebung ausgesprochen.
Opposition wehrt sich
Bei der Abstimmung im Abgeordnetenhaus Mitte April hatten sich 367 Abgeordnete für die Amtsenthebung der Präsidentin ausgesprochen, 137 dagegen. Maranhao stimmte damals gegen die Amtsenthebung.
Er übernahm am vergangenen Donnerstag die Leitung des Abgeordnetenhauses, nachdem der reguläre Kammerpräsident Eduardo Cunha vom Obersten Gerichtshof wegen Korruptionsvorwürfen des Amtes enthoben worden war.
Parlamentarier der Opposition kündigten nach Maranhaos Entscheid an, beim Obersten Gerichtshof gegen die Annullierung vorzugehen, wie das Nachrichtenportal G1 berichtete. Das Amtsenthebungsverfahren befinde sich bereits unter der Kompetenz des Senats und könne deshalb nicht von der Abgeordnetenkammer rückgängig gemacht werden, erklärte der Abgeordnete Pauderney Avelino.
«Vorsichtig sein»
Rousseff selbst reagierte überrascht. «Ich habe weder offiziell diese Information, noch kenne ich die Folgen», schrieb die Staatschefin auf ihrer Twitter-Seite. «Wir müssen vorsichtig sein, wir leben in einem Umfeld von List und Tücke», sagte sie zudem bei einer Rede vor Anhängern in Brasilia. «Lasst uns die Demokratie verteidigen, den Staatsstreich bekämpfen – und diesen ganzen extrem irregulären Prozess», sagte Rousseff.
Der brasilianischen Staatschefin wird Korruption im Zusammenhang mit dem Skandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobras zur Last gelegt. Sie soll zudem Haushaltszahlen geschönt haben, um vor der Präsidentschaftswahl 2014 ihre Chancen zu verbessern.
Die Politikerin der gemässigt linken Arbeiterpartei (PT) sieht sich selbst als Opfer einer «Verschwörung» und wirft ihren Gegnern einen «Putsch» vor. In den Petrobras-Korruptionsskandal sind in eine Reihe weiterer Politiker verwickelt.
Zunächst war nicht klar, wie das Verfahren nun fortgesetzt werden soll. Vermutlich dürften Rousseffs Gegner die Entscheidung Maranhaos juristisch anfechten.