Iouri Podladtchikov hat mit den X-Games noch eine Rechnung offen. Im reichhaltigen Palmarès des 28-jährigen Schweizer Freestyle-Snowboarders fehlt Gold am Prestige-Anlass in Aspen noch.
Während seiner Snowboard-Karriere hat Podladtchikov nahezu alles gewonnen: Olympiagold, zwei WM-Titel und Tour-Gesamtklassements. An den X-Games hingegen bemühte sich der 28-jährige Schweizer in neun Anläufen bisher vergeblich um die Freestyle-Krone.
In der amerikanischen Wintersportstation Aspen ist am Donnerstag Ortszeit mit einer Halfpipe-Nachtsession auf höchstem Niveau zu rechnen. Die X-Games geniessen in einer Szene, die im (Wettkampf-)Alltag aus wirtschaftlichen Gründen immer häufiger primär auf der FIS-Tour wahrgenommen wird, nach wie vor einen übergeordneten Stellenwert. Dem vom US-Sender ESPN orchestrierten Einladungswettbewerb kommt in der Wahrnehmung der Freestyler eine grössere Bedeutung zu als eine WM.
«An keinem anderen Anlass ist das Niveau höher als in Aspen», legt sich Iouri Podladtchikov gegenüber der Nachrichtenagentur sda fest. Der Olympiasieger ist mit dem mythischen Buttermilk Mountain gedanklich seit Jahren liiert. «Wir haben früher davon geträumt und Videogames gespielt, und heute sind wir mittendrin.» Die magische Anziehungskraft kommt für die Weltnummer 1 nicht von ungefähr: «Kein anderer Contest ist so aufgebaut.» Show-Faktor, massenhaft Zuschauer, Livebilder zur Primetime.
Bei der zehnten Teilnahme will Podladtchikov schaffen, was ihm bisher nicht gelungen ist: ein prestigeträchtiger Triumph in Colorado. Zwei Silbermedaillen hat er bislang gewonnen, 2015 erreichte er Platz 3, vor einem Jahr stürzte er im Schneesturm chancenlos ab. Es würde dem Stadtzürcher «sehr viel bedeuten», sein Palmarès mit der einzigen Trophäe zu erweitern, die ihm noch fehlt.
Von einer aussagekräftigen Standortbestimmung rund 13 Monate vor den Olympischen Spielen in Südkorea will Podladtchikov gleichwohl nicht sprechen. Die X-Games betrachte er losgelöst von Pyeongchang. «Der Ablauf ist ganz anders – vor allem, weil wir keine Qualifikation fahren und nur vier Tage in Aspen verbringen.»
Der Schweizer Cheftrainer Pepe Regazzi kalkuliert mit einem sehr guten Ergebnis. Seine Pipe-Equipe – neben Podladtchikov treten Pat Burgener und Christian Haller an – hat im bisherigen Saisonverlauf mehrfach brilliert und Mitte Dezember in Copper die lückenlose US-Prominenz auf deren Terrain geschlagen. «Wir fallen kaum mehr unter ein gewisses Level», ist der Tessiner Stratege überzeugt.
Whites Comeback und Pläne
Derweil Teamleader Podladtchikov derzeit in kürzeren Abschnitten denkt und plant, erhofft sich Regazzi mit Blick auf die weitere Olympia-Agenda einige verlässliche Anhaltspunkte, zumal das Zwölferfeld ist von selten erlesener Qualität ist. Die Weltmeister der letzten vier Jahre starten, das Comeback der monatelang intern gesperrten Japaner steht an, und alle X-Games-Champions der vergangenen Dekade sind mit von der Partie, unter ihnen der Rekordsieger Shaun White.
Der amerikanische Superstar hat sich nach den letztjährigen Querelen mit den federführenden TV-Verantwortlichen versöhnt und kehrt in jenes Resort zurück, das ihn berühmt machte. «Auf beiden Seiten waren Gefühle verletzt worden, es war ein bisschen wie bei einem Beziehungsknatsch», erklärte der 13-fache Winter-X-Games-Gewinner in einem Telefon-Interview mit der «Aspen Times».
Es sei spannend zu sehen, was die Konkurrenz zu bieten habe. Er werde sich so motiviert wie beim ersten Mal in die Pipe stürzen, so White. Und dass er im kommenden Winter Podladtchikov vom Olympia-Sockel stossen will und eine dritte Goldmedaille anstrebt, verheimlicht er in verschiedenen medialen Kanälen nicht. Ein Rückzug der Ikone steht nicht zur Debatte.
Im Gegenteil: Der Sport-Unternehmer White – unlängst lancierte der Air&Style-Betreiber in der grössten amerikanischen Warenhauskette eine eigene Kleiderlinie – will die teilweise darbende Snowboard-Bewegung neu beleben. Es gebe Pläne, nach den kommenden Winterspielen eine «World Tour of Snowboarding» zu lancieren.
Dass alle bisherigen Projekte ausserhalb der FIS früher oder später gescheitert sind, hält den Multi-Millionär nicht von seiner Idee ab. «Ich will die Welt der Snowboarder vereinen und sie für die Athleten besser machen.»