Infolge des veränderten Klimas verlieren die Gletscher in den Alpen zwei bis drei Prozent ihres Volumens pro Jahr. Dadurch könnten sich 500 bis 600 neue Seen bilden. Was das bedeuten könnte, erkundeten Forscher am Beispiel des Triftsees im Berner Oberland.
Gemäss einer Studie des Bundesamts für Umwelt könnten die neuen Seen eine Gesamtoberfläche von 50 bis 60 Quadratkilometer erzielen – das ist grösser als der Thunersee.
Einige könnten mehr als 100 Meter tief werden und ein Volumen von über 10 Millionen Kubikmeter aufweisen, was einem Stausee mittlerer Grösse entspricht. So ein See könnte etwa an der Stelle des heutigen Konkordiaplatzes entstehen, wie der Schweizerische Nationalfonds (SNF) am Donnerstag mitteilte.
Eine Studie des Nationalen Forschungsprogramms „Nachhaltige Wassernutzung“ (NFP 61) erkundet das Potenzial dieser neuen Seen in Bezug auf Tourismus, Wasserkraft und Umweltgefahren. Als Fallbeispiel untersuchten Forschende der Universitäten Bern und Zürich sowie der ETH Lausanne den Triftsee im Berner Gadmental.
Der See entstand Ende der 1990er Jahre hinter einem Felsriegel und blockierte zunehmend den Weg zur Trifthütte. Um ihn zu umgehen, wurde eine schwindelerregende Hängebrücke nach nepalesischem Modell gebaut, die rasch zur Touristenattraktion wurde. Eine alte Baustellenseilbahn wurde wieder in Betrieb genommen, die Hütte verzeichnet seither einen grossen Besucherzuwachs.
Aus Sicht des Tourismus haben die Kombination von Gletscher, See und Brücke den Gletscherrückgang und den Verlust einer einmaligen Landschaft mehr als nur wettgemacht. Doch was passieren wird, wenn auch die letzten Reste des Triftgletschers verschwunden sind, bleibe offen, schreibt der SNF.
Wasserkraft und Flutwellen
Der neue See könnte sich indes für ein Wasserkraftwerk eignen, das ins Netzwerk der Kraftwerke Oberhasli integriert werden könnte. Die Forscher haben anhand von Klima- und Hydrologiedaten das Potenzial verschiedener Varianten zur Wasserkraftgewinnung durchgerechnet.
Alle Gletscherseen bergen aber die Gefahr von Flutwellen mit katastrophalen Auswirkungen, wenn Eis- oder Felsabbrüche den See überschwappen lassen. Ein Staudamm der richtigen Grösse würde diese Gefahr bannen – dafür allerdings den touristischen Wert der Gegend mindern.
Wer die neuen Seen besitzt und somit verantwortlich für deren Sicherheit und Nutzung wäre, ist laut dem SNF rechtlich ungeklärt. Darum empfehlen die Forschenden integrative Studien für die verschiedenen Seen, damit diese künftig intelligent und nachhaltig genutzt werden können. Dies wäre besonders im Hinblick auf die fällige Erneuerung verschiedener Kraftwerkkonzessionen nötig.