Überraschend hat der Lowest-Budget-Gruselfilm «La fille de nulle part» des Franzosen Jean-Claude Brisseau in Locarno den Pardo d’oro erhalten. Der Jury-Preis wurde der amerikanischen Produktion «Somebody Up There Likes Me» von Bob Byington zugesprochen.
Die Wahl von „La fille de nulle part“ ist ein Plädoyer für die Rückkehr zur Einfachheit: Gedreht vom Regisseur in seiner eigenen Wohnung – mit sich selber als Hauptdarsteller und Leintuch-Gespenstern als Special Effects. Das beweise, dass „Wunsch und Wille und Einbringung seiner ganzen Seele“ reichen, um einen guten Film zu machen, sagte Jurypräsident Apichatpong Weerasethakul vor den Medien.
In „La fille de nulle part“ liest ein Mathematikprofessor und Hobby-Seelenforscher vor seiner Tür eine verletzte junge Frau auf. Während er sie gesund pflegt, bringt sie sich in seine Arbeit ein und macht ihn mit paranormalen Phänomenen bekannt. Der Film wirke auch auf der Genre-Ebene, sagte Juror Roger Avary: „It scared the shit out of me“.
Chinesische Willkür-Justiz
Gleich zwei Preise im Hauptwettbewerb – für Regie und beste Darstellerin (An Nai) – erhielt der südkoreanisch-chinesische Film „Wo hei you hua yao sho“ („When Night Falls“) von Ying Liang.
Erzählt wird die zugleich empörende wie berührende Geschichte eines jungen Polizistenmörders, dessen Mutter von der Justiz durch monatelange Internierung daran gehindert wird, dem Sohn juristischen Beistand zu verschaffen.
Den Leoparden für den besten Darsteller erhielt Walter Saabel aus der österreichischen Produktion „Der Glanz des Tages“; der Film erhielt auch eine spezielle Erwähnung der ökumenischen Jury und einen weiteren Nebenpreis.
Eine Special Mention der Hauptjury ging an die – im Film nicht sichtbare – Figur der Candy in „A Ultima Vez Que Vi Macau“, für die Jury eine Repräsentantin des „enormen Mutes des portugiesischen Kinos“ in einer Zeit der weltweit bedrohten Filmkunst.
Glücklose Schweizer
In der Nachwuchskategorie „Cineasti del presente“ ging der Goldene Leopard an den japanischen Film „Inori“ und der Regiepreis an „Ape“ des Amerikaners Joel Potrykus; der Film über einen erfolglosen Comedian, der einen Pakt mit dem Teufel eingeht, erhielt auch eine spezielle Erwähnung der Erstlingsjury.
Trotz vergleichsweise starker Präsenz – mit zwei Filmen im Hauptwettbewerb und dreien auf der Piazza Grande – mussten sich Schweizer Produktionen mit Nebenpreisen zufrieden geben: Peter Mettlers „The End of Time“ und „Image Problem“ von Simon Baumann und Andreas Pfiffner erhielten Umweltpreis respektive Special Mention der Jugendjury.
Von den Piazza-Filmen bekam die deutsch-österreichisch-britische Produktion „Lore“ von Cate Shortland den Publikumspreis und die französische Produktion „Camille Redouble“ von und mit Noémie Lvovsky den Variety-Preis.