Der verstorbene Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki zählte ihn zum «Kanon der deutschen Literatur». Die ironische Bürgertum-Kritik des Schweizer Nationaldichters Gottfried Keller ist auch 125 Jahre nach seinem Tod lesenswert.
Die Schweiz hätte einen Schriftsteller von Weltrang weniger gehabt, wäre Gottfried Keller bei seiner ersten Berufswahl geblieben. Maler wollte er werden, um trotz gesellschaftlicher Zwänge ein Künstlerleben führen zu können. «Denn ein Kunstmaler zu werden, war, wenn auch schlecht empfohlen, doch immerhin bürgerlich zulässig», schrieb er in seinem Roman «Der grüne Heinrich» über einen gescheiterten Jugendtraum.
Sein Vater war früh gestorben, so dass Keller als «Muttersohn» aufwuchs, in einfachen Verhältnissen. Mit der Erkenntnis, eher zum Dichter als zum Maler geeignet zu sein, kehrte Keller nach einem ausschweifenden Künstlerleben in München von 1840 bis 1842 nach Zürich zurück.
Dort wurde er ungeachtet von Alkohol- und Raufexzessen 1861 zum ersten Staatsschreiber des Kantons gewählt, was ihm ein recht gutes Einkommen und eine Amtswohnung garantierte. Im selben Jahr erschien die Novelle «Das Fähnlein der sieben Aufrechten», die seinen Ruhm als Nationaldichter der Schweiz begründen half.
Kellers Erfolg als Schriftsteller stand eine oft vergebliche Suche nach Erfüllung in der Liebe gegenüber. Immerhin sollen Anfälle von Leidenschaft nach Berichten von Biografen Auslöser literarisch produktiver Phasen gewesen sein. Geheiratet hat er nie. Am 15. Juli 1890 starb Keller nach längerer Krankheit kurz vor seinem 71. Geburtstag in Zürich als Junggeselle.