Graubünden hat als einer der ersten Kantone die Geschichte über 150 Jahre fürsorgerische Zwangsmassnahmen wissenschaftlich aufgearbeitet. Die Publikation beleuchtet vor allem die «Korrektionsanstalta Realta», wo 1500 Menschen zwangsweise untergebracht worden waren.
Die am Donnerstag in Chur vorgestellte Studie beleuchtet administrative Versorgungen, Fremdplatzierungen und Entmündigungen in Graubünden vom 19. Jahrhundert bis heute. Ein wichtige Rolle spielte die «Korrektionsanstalt Realta» in Cazis. Sie war Mitte des 19. Jahrhunderts eine der ersten derartigen Anstalten in der Schweiz.
Vormundschaftsbehörden konnten in Realta «liederliche», «arbeitsscheue» und «herumziehende» Arme einweisen und jahrelang festhalten lassen, ohne dass die Betroffenen straffällig geworden wären. In einer Zeit, in der Armut als individuelles Versagen gedeutet wurde, wollten die Behörden abnorme Leute erziehen und disziplinieren. Etwa 1500 Personen sollen in Realta zwangsweise untergebracht worden sein.
Mehrere tausend Betroffene
Insgesamt seien in Graubünden mehrere tausend Personen von Zwangsmassnahmen betroffen gewesen, sagte Tanja Rietmann, die Hauptautorin der Studie von der Universität Bern, ohne genauere Zahlen nennen zu können. Im Vergleich seien Graubünden so viele fürsorgerischen Massnahmen angeordnet worden wie in anderen Kantonen, nicht mehr und nicht weniger.
Die 180 Seiten umfassende Studie, die im Auftrag der Bündner Regierung erstellt wurde, ist eine der ersten in der Schweiz, welche beschreibt, wie die Behörden in einem Kanton bei den fürsorgerischen Zwangsmassnahmen agierten.