Die Griechen kehren dem Reformkurs ihrer Geldgeber den Rücken: In einer Volksabstimmung sagten über 61 Prozent Nein zu den Sparforderungen der Gläubiger. Damit stärkten sie der Regierung zwar den Rücken. Wohin das führen wird ist aber ungewiss.
Die von Rezession und Rekordarbeitslosigkeit geplagten Griechinnen und Griechen sagten deutlicher als in den Umfragen angenommen Nein zu den Sparforderungen. Nach Auszählung von zwei Drittel der Stimmen lag der Nein-Anteil bei gut 61 Prozent. Das Resultat wurde am Abend in Griechenland von vielen Menschen gefeiert.
Griechenlands Finanzminister Gianis Varoufakis machte klar, dass nach dem Sieg der Reformgegner mit den internationalen Geldgebern neu verhandelt werden müsse. «Ab morgen fangen wir an, unsere Wunden zu heilen», kündigte er am Sonntagabend im griechischen Fernsehen an. Europa dürfe nicht mehr ein riesiger eiserner Käfig der Sparpolitik sein.
Wie der Reform-Streit Griechenlands mit der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) nach dieser Abstimmung noch gelöst werden kann, ist allerdings unklar.
Merkel und Holland wollen Sondergipfel
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande sprachen sich noch am Abend für einen Sondergipfel der Euro-Staaten am Dienstag aus. Das teilte ein Regierungssprecher in Berlin nach einem Telefongespräch von Merkel und Hollande mit. Der griechische Premier Alexis Tsipras hatte auch mit Hollande telefoniert. Merkel und Hollande wollten sich am Montag in Paris treffen.
Tsipras sieht sich durch das Nein der Griechen zu den Sparvorschlägen der Gläubiger in seiner Forderung nach einem Schuldenschnitt gestärkt. «Jetzt wird die griechische Schuldenlast auf den Verhandlungstisch kommen», sagte er am Sonntagabend in einer Fernsehansprache. Zugleich betonte er, dass der Ausgang des Referendums keinen Bruch Griechenlands mit Europa bedeute.
Luxemburgs Regierungschef und EU-Ratsvorsitzender Xavier Bettel sagte, nun sei es an der griechischen Regierung, Vorschläge zu unterbreiten, wie es weitergehen solle. Mehrere Euro-Ländern signalisierten Verhandlungsbereitschaft.
Italiens Regierung sprach sich am Sonntagabend für neue Verhandlungen aus. Auch der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron forderte, schnell wieder mit den Griechen zu sprechen. Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hingegen sah kaum noch Chancen auf einen Kompromiss mit Athen.
Athen will rasch wieder verhandeln
Für die Regierung des radikal-linken Ministerpräsidenten Tsipras bedeutet das Votum einen Sieg. Formell hat die Abstimmung keine Bedeutung, weil die Bürger über ein Kompromissangebot der Gläubiger abgestimmt haben, das seit dem Auslaufen des zweiten Hilfsprogramms Ende Juni gar nicht mehr auf dem Tisch lag. Jedoch war die politische Bedeutung in dem Land enorm, wo mittlerweile jeder Vierte ohne Arbeit ist.
Von dem Votum erhofft sich Tsipras Rückenwind für eine neue Verhandlungsrunde mit den Geldgebern. Regierungsvertreter erklärten denn auch am Abend, die Gespräche könnten sofort weitergehen, binnen 48 Stunden eine Einigung erzielt werden.
Die griechische Notenbank werde noch am Abend einen Antrag bei der EZB stellen, damit diese das Volumen der Notkredite für die angeschlagenen griechischen Banken anhebe, sagte Regierungssprecher Gavriil Sakellaridis gegenüber dem Sender ANT1. Ohne Anhebung des Limits drohen die schon seit einer Woche geschlossenen Banken des Landes rasch auszutrocknen.
Staatspleite droht
Der Vorsitzende der Euro-Finanzminister und niederländische Ressortchef Jeroen Dijsselbloem hatte es im Vorfeld als «sehr fraglich» bezeichnet, ob bei einem «Nein» noch eine Basis für Griechenland in der Euro-Zone bestehe.
Die anderen Euro-Länder hatten im Vorfeld der Abstimmung klar gemacht, dass sie am Prinzip, Hilfe nur im Gegenzug für Reformen zu leisten, nicht rütteln werden. Auch einen bedingungslosen Schuldenerlass lehnen sie ab.
Ohne schnelle Einigung ist eine umfassende Staatspleite aber kaum noch zu verhindern. Schon Ende Juni konnte die Regierung in Athen einen Milliardenkredit an den IWF nicht zurückzahlen. In zwei Paketen wurden seit 2010 fast 240 Milliarden Euro nach Athen überwiesen.