Die Grindelwalderinnen und Grindelwalder haben sich am Freitag mit über 70 Prozent Ja-Stimmen deutlich hinter ein millionenschweres Bergbahnprojekt der Jungfraubahnen gestellt. Doch noch hat das Projekt nicht freie Fahrt.
Vor wenigen Tagen hatte nämlich die Besitzerin des Landes, über das ein Teil der neuen Bahn führen soll, das Überfahrtsrecht verweigert. Das Land gehört der Bergschaft Wärgistal.
Nach dem klaren Ja des Grindelwalder Stimmvolks werden sich die Jungfraubahnen und die Bergschaft nochmals zusammensetzen, wie Vertreter der beiden Institutionen am Freitag nach der Gemeindeversammlung übereinstimmend sagten.
Theoretisch könnte die Bahngesellschaft auch ein Enteignungsverfahren anstrengen. Doch das wäre mit grossen Unwägbarkeiten verbunden und würde wohl den Dorffrieden auf eine harte Probe stellen.
Bis auf den letzten Platz besetzt
Das rund 400 Millionen schwere Ausbauprojekt lockte die Grindelwalder in Scharen an die Gemeindeversammlung. Der letzte Platz in der eigens für den Anlass eingerichteten Eishalle war besetzt. 1476 Personen oder rund 57 Prozent aller Stimmberechtigten waren Anwesend.
Viel reden mochten sie aber nicht, lediglich ein Gegner und ein Befürworter traten mit kurzen Voten ans Mikrofon. Offenbar hatten viele ihre Meinung schon gemacht.
Zückerchen
Versüsst wurde den Stimmberechtigten der Entscheid durch eine Ankündigung des Gemeindepräsidenten, dass die Jungfraubahnen künftig 200’000 Franken pro Jahr in einen Fonds für nachhaltige Projekte in den beiden betroffenen Gemeinden Grindelwald und Lauterbrunnen fliessen lassen.
Dieser Fonds ist eine Reaktion auf eine Unterschriftensammlung in Grindelwald. Petitionäre verlangten, dass der Gemeinderat regelmässig den Mehrwert abschöpfe, der durch das Bahnprojekt entstehe.
Das sei rechtlich in dieser Form nicht möglich, beschied Gemeindepräsident Emanuel Schläppi der Versammlung. Der Gemeinderat habe aber nochmals mit den Jungfraubahnen diskutiert und «im Sinne eines Zeichens» würden diese den Fonds speisen.
Dass die Jungfraubahnen mit diesem Zückerchen das Ja quasi erkauft hätten, glaubt Bahn-CEO Urs Kessler nicht. Die Meinungen seien längst gemacht gewesen, sagte er im Anschluss an die Gemeindeversammlung auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Am Montagabend wird auch in der Nachbargemeinde Lauterbrunnen noch eine Gemeindeversammlung zum Bahn-Grossprojekt stattfinden.
Mehr Kapazitäten, kürzere Reisezeit
Die Jungfraubahnen wollen mit dem grössten Projekt seit dem Bau der Bahn aufs Jungfraujoch vor allem die Kapazität steigern und die Reisezeit verkürzen. Dazu soll die Region Kleine Scheidegg/Eigergletscher sowie der Männlichen mit einer sogenannten V-Bahn besser erschlossen werden.
Von einer gemeinsamen Talstation in Grindelwald Grund aus soll ein Ast der V-Bahn auf den Männlichen führen und damit eine in die Jahre gekommene Gondelbahn ersetzen. Der andere Ast soll in Form einer neuen Seilbahn, dem Eiger-Express, direkt zum Eigergletscher führen.
Ergänzt wird das Projekt unter anderem mit einer neuen Bahnstation, die die V-Bahn besser an den öffentlichen Verkehr anbindet. Ebenfalls gebaut werden soll ein neues Parkhaus für rund 1000 Autos. Insgesamt sind rund 400 Millionen Franken für das Projekt veranschlagt.
Heftige Diskussionen
Das Grossprojekt spaltet im Tal die Gemüter. Kritiker führen landschaftsschützerische, aber auch touristische Bedenken ins Feld. Die neue Seilbahn, die 2400 Passagiere pro Stunde befördern soll, werde mit ihren bis zu 60 Meter hohen Masten wie eine Wäscheleine den bislang ungetrübten Blick auf die imposante Eigernordwand verschandeln, kritisieren Umweltkreise.
Die neue Bahn sei auf den Tagestourismus aus Fernost ausgerichtet. Die Touristen würden um Grindelwald herum geleitet, so eine andere Befürchtung vorab der lokalen Hotellerie. Diese Art von Massentourismus schade Grindelwald längerfristig, fürchten manche Grindelwalder.
Der CEO der Jungfraubahnen, Urs Kessler betonte im Vorfeld, dass Grindelwald nur mit der neuen Bahn im Verdrängungsmarkt eine Chance als Feriendestination habe.