Grossbritannien hat als erster Mitgliedsstaat in der Geschichte der Europäischen Union (EU) seinen Austritt verkündet. EU-Ratspräsident Donald Tusk bedauerte den Entscheid der Briten.
«Es gibt keinen Grund so zu tun, als wäre dies ein glücklicher Tag», sagte Tusk am Mittwoch in Brüssel. Die Hauptaufgabe bei den jetzt beginnenden Brexit-Verhandlungen sei Schadensbegrenzung. Zuvor hatte er das offizielle Trennungsgesuch aus London in Empfang genommen.
Tusk erinnerte die britische Regierung daran, dass sich mit dem Brexit-Gesuch rechtlich noch nichts geändert habe. Alle EU-Regeln und -Gesetze blieben gültig, bis der Austritt tatsächlich vollzogen sei. Dies wird nach Ablauf der zweijährigen Trennungsfrist voraussichtlich im März 2019 der Fall sein.
Die 27 bleibenden EU-Staaten wollen ihre Verhandlungslinie bei einem Sondergipfel am 29. April festlegen. Einen ersten Entwurf will Tusk den Mitgliedsstaaten am Freitag schicken, wie er sagte.
In einer gemeinsamen Erklärung der EU-27 heisst es, Ziel müsse «ein geordneter Austritt» sein. «Wir werden diese Gespräche konstruktiv angehen und uns bemühen, eine Einigung zu finden. In der Zukunft hoffen wir, das Vereinigte Königreich als engen Partner zu haben.»
Kein Sonderzug für Schottland
Die britische Premierministerin Theresa May rief ihre Landsleute zum Zusammenhalt auf. «Das ist ein historischer Moment, von dem es kein Zurück geben kann», sagte sie nach dem Einreichen des Austrittsantrags im Parlament. Forderungen wie etwa aus Schottland für Ausnahmeregelungen beim Brexit erteilte sie eine Absage: «Wir werden als ein Vereinigtes Königreich verhandeln.»
In der Austrittserklärung schrieb May, das Votum für den EU-Austritt bedeute «keine Abkehr von den Werten, die wir als Europäer teilen». Das Referendum sei vielmehr «ein Votum zur Wiederherstellung unserer nationalen Souveränität».
Anders als von der EU gewünscht plädierte May aber für gleichzeitige Verhandlungen über den Vollzug des Austritts und über die künftigen Beziehungen nach dem Austritt. Für ihr Land strebe sie eine «tiefe und besondere Partnerschaft» mit der EU an, schrieb May. Diese solle «sowohl wirtschaftliche als auch sicherheitspolitische Zusammenarbeit» umfassen.
21’000 Regeln und Gesetze
In den kommenden Monaten steht den Experten auf britischer und EU-Seite eine Mammutaufgabe bevor: Rund 21’000 EU-Regeln und -Gesetze müssten erörtert werden, berichtet die Nachrichtenwebseite «Politico» unter Berufung auf Ausschussberichte des EU-Parlaments. Bei etwa 500 Arbeitstagen bis zum Ausscheiden Grossbritanniens werden die Verhandlungspartner demnach täglich etwa 40 Gesetze abarbeiten.
Ein hochkomplexes und heikles Thema sind die Rechte der etwa 3,2 Millionen EU-Ausländer in Grossbritannien. Darüber will London möglichst schnell verhandeln.
Fraglich ist, ob sich Grossbritannien und die EU in Sachen Geld einigen können. Experten sprechen von bis zu 60 Milliarden Euro, die die EU noch von Grossbritannien verlangen könnte.
Bis Herbst 2018 verhandelt
Bis Herbst 2018 sollen die Verhandlungen jedenfalls abgeschlossen sein, damit das Abkommen noch rechtzeitig ratifiziert werden kann. Auf EU-Seite müssen das EU-Parlament und die EU-Staaten ihre Zustimmung geben.
Das Parlament in London soll ebenfalls darüber abstimmen können. Sollten die Parlamentarier das Abkommen aber ablehnen, würde Grossbritannien ungeregelt ausscheiden.
Wirtschaftsverbände warnen vor erheblichen Konsequenzen. Grossbritanniens Aussenminister Boris Johnson hält ein Ausscheiden ohne Abkommen dagegen für «vollkommen o.k.».