Von der Schweiz ist im Koalitionsvertrag von Union und SPD nicht die Rede, in den zentralen bilateralen Themen ist Konstanz zu erwarten. Die in den vergangenen Monaten in der Schweiz heftig diskutierte Frage der Lohnexzesse beantwortet die grosse Koalition ähnlich wie südlich des Rheins die Stimmbevölkerung.
Die grosse Koalition will Lohnexzesse ähnlich wie die Schweiz handhaben. Einen Lohndeckel in Unternehmen, wie er im Zusammenhang mit der 1:12-Initiative Thema war, wird es auch in Deutschland vorerst nicht geben, obwohl die SPD dies – in abgeschwächter Form – gefordert hatte. Hingeben ist im Koalitionsvertrag eine Bestimmung aufgeführt, die den Kern der Abzockerinitiative ausmacht.
Auf Vorschlag des Verwaltungsrates sollen in deutschen Betrieben künftig die Aktionäre an Generalversammlungen über die Löhne und Boni der Geschäftsleitung entscheiden, wie aus dem in der Nacht auf Mittwoch geschmiedeten Koalitionsvertrages hervorgeht. Dem Vertrag muss noch die Basis der SPD in einem Mitgliedervotum zustimmen.
In den für das bilaterale Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland relevanten Fragen zeichnen sich jedenfalls keine Kurswechsel ab. Im Kampf gegen «schädlichen Steuerwettbewerb», Steuervermeidung und grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen setzt die grosse Koalition in Berlin auf ein Vorgehen im Rahmen der OECD.
Falls es hier bis 2015 nicht zu einer Einigung kommt, wollen Union und SPD gemäss Vertragsentwurf nationale Massnahmen ergreifen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Unternehmen eine «doppelte Nichtbesteuerung» von Einkünften erzielen.
«Konsequentes Vorgehen»
«Wir werden auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene weiter konsequent gegen Steuervermeidung durch Nutzung von Offshore-Finanzplätzen vorgehen», heisst es in dem Vertragstext. Als internationaler Standard in der Finanzpolitik wird demnach der automatische Informationsaustausch angestrebt, wobei weitere bi- und multilaterale Vereinbarungen ins Auge gefasst werden sollen. Eine Änderung der bisherigen Politik lässt sich hier nicht feststellen.
Hinsichtlich des seit langem schwelenden Fluglärmstreits zwischen der Schweiz und Deutschland ist im Koalitionsvertrag ebenfalls nichts auf Anhieb als neu Erkennbares aufgeführt, wie es beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) am Mittwoch hiess.
Keine Empfehlung der SP
Die SP Schweiz wollte den Genossinnen und Genossen in Deutschland auf Anfrage keine Empfehlung für das Mitgliedervotum über die Annahme des Koalitionsvertrages abgeben. «Aus Schweizer Sicht ist das Aushandeln von Kompromissen nichts Ungewöhnliches oder Seltenes», hiess es in einer Stellungnahme.
Es sei an der SPD-Basis zu entscheiden, ob die in Berlin erreichten Kompromisse ausreichend seien. Dass sich CDU und SPD auf einen flächendeckenden Mindestlohn einigen konnten, stimmt die SP auch mit Blick auf die aktuelle Debatte in der Schweiz zuversichtlich.