Information statt Zwang: Um die Masern in der Schweiz auszurotten, lancieren der Bund, die Kantone, Ärzteschaft und Apotheken einen grossflächigen Impfaufruf. Ziel ist, dass 95 Prozent der Bevölkerung bis 2015 gegen die Infektionskrankheit geimpft sind.
Im Rahmen einer Kampagne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich die Schweiz verpflichtet, die Masern in der Schweiz bis Ende 2015 zu eliminieren. Die Krankheit soll nur noch in Einzelfällen auftreten und kaum mehr übertragen werden. Nötig dafür ist, dass die Impfrate von heute 85 auf 95 Prozent steigt.
Mit einer Informationskampagne wollen die Behörden nun gegen das Image der Masern in der Bevölkerung kämpfen. Viele glaubten, die Krankheit sei harmlos, stellte Pascal Strupler, Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), am Donnerstag vor den Medien in Bern fest. Das sei aber falsch.
Todesfall während Masern-Welle
Er erinnerte daran, dass im Januar 2009 ein 12-jähriges Mädchen gestorben ist. Hunderte Menschen mussten ins Spiel. Ohne Impfung käme es jährlich zu 20 bis 30 Todesfällen.
Nicht nur für Kinder könnten die Masern gefährlich sein, sondern auch für Erwachsene, sagte Jürg Schlup, Präsident der Ärzteverbindung FMH. Bei diesen träten Komplikationen häufiger auf. Dazu gehören Mittelohr-, Lungen- oder Hirnentzündungen, teilweise mit bleibenden Schäden.
Mit dem Slogan «Gegen Masern impfen und nichts verpassen» soll der Bevölkerung die Impfung schmackhaft gemacht werden. Plakate zeigen etwa, wie eine Braut wegen der Masern im Bett liegt, statt an ihrer Hochzeit zu sein. Während dreier Jahre wollen Bund und Kantone jährlich 2 Millionen Franken für die Informationskampagne ausgeben.
Schwächere schützen
Appelliert wird auch an die Solidarität der Bevölkerung. Aus der Schweiz sind vor einigen Jahren die Masern in ein brasilianisches Slum getragen worden, als die Krankheit auf dem ganzen amerikanischen Kontinent bereits als ausgerottet galt. Aus Rücksicht auf Länder mit schlechtem Gesundheitsversorgungssystem dränge sich eine Impfung auf, halten die Behörden fest.
Eine obligatorische Impfung diskutierten die kantonalen Gesundheitsdirektoren, verwarfen sie aber, wie Philippe Perrenoud, Vizepräsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK), sagte. Angesichts der unterschiedlichen Akzeptanz in der Bevölkerung hätte ein Obligatorium kontraproduktiv wirken können.
Jedem stehe es frei, sich impfen zu lassen, sagte BAG-Direktor Strupler. Er schätzte, dass ein «harter Kern» von rund 3 bis 5 Prozent sich kategorisch gegen das Impfen wehrt. Auf diese Gruppe sei die Kampagne nicht zugeschnitten. Im Fokus stehen jene Menschen, die nur eine von zwei Impfdosen gegen die Masern verabreicht erhielt.
Mehrere impfskeptische Kantone
Während rund 85 Prozent der Bevölkerung gegen die Masern immun sind – wegen einer früheren Erkrankung oder einer Impfung -, haben 8 weitere Prozent zumindest einmal eine Impfung gekriegt. Lassen sich diese Menschen ein zweites Mal impfen, was jederzeit möglich ist, wäre das Ziel fast erreicht. Die zwei Piekse kosten zusammen 140 Franken.
Der Nachholbedarf in den Kantonen ist sehr unterschiedlich. Unter 80 Prozent liegen die Impfraten in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Bern, Graubünden, Nidwalden, Schwyz, Thurgau und Uri. Schlusslicht ist der Kanton Appenzell Innerrhoden, in dem nur jedes zweite zweijährige Kinder zweimal gegen die Masern geimpft worden ist. In der Westschweiz liegt die Rate tendenziell höher als in der Deutschschweiz.