Mehrere zehntausend Menschen haben am Donnerstag in Brüssel gegen die Sozialpolitik der rechts-liberalen belgischen Regierung protestiert. Die Polizei sprach von 45’000 Teilnehmern, die Organisatoren von 70’000.
Es war die vierte Grossdemonstration seit dem Amtsantritt der Regierung von Ministerpräsident Charles Michel vor knapp zwei Jahren. Zu den Protesten hatten die drei grössten Gewerkschaften des Landes aufgerufen.
«Eine Regierung, die eine so unsoziale Politik wie die aktuelle betreibt, hat es in den vergangenen 30 Jahren nicht gegeben», sagte Rudy De Leeuw, Präsident der sozialistischen Gewerkschaft FGTB, zu Beginn des Protestes.
Auch Politiker der Oppositionsparteien nahmen an der Kundgebung Teil. «Wir wollen unsere Solidarität mit den Arbeitnehmern und Sozialhilfeempfängern zeigen», sagte Ahmed Laaouej, Abgeordneter der frankophonen Sozialisten.
Innenstadt weitgehend gesperrt
Der Protestzug startete am nördlichen Ende des Stadtzentrums und endete am internationalen Südbahnhof. Die Strassen der Innenstadt waren für den Autoverkehr weitgehend gesperrt. Der öffentliche Nahverkehr in Brüssel funktionierte wegen der Demonstration nur eingeschränkt, auch einige Behörden und Schulen waren von Arbeitsniederlegungen betroffen.
Nach Angaben der Polizei schlug eine Gruppe von Randalierern das Fenster eines Postbüros ein und beschmierte das Büro der Sozialistischen Partei. Ausschreitungen zwischen Polizisten und Demonstranten gab es zunächst nicht.
Gegen Rentenalter 67
Die Gewerkschaften kritisieren mehrere Massnahmen, die die Regierung schon kurz nach ihrem Amtsantritt beschlossen hatte. Dazu zählen die Aussetzung von normalerweise in Belgien automatisch erfolgenden Lohnerhöhungen, das Ende der 38-Stunden-Woche und die Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahren ab 2030.
Die Gewerkschaften klagen ausserdem über einen Rückgang beim Arbeitnehmerschutz, steigende Anforderungen an die Flexibilität und eine zu unternehmerfreundliche Politik.
Bei der bislang letzten Grossdemonstration am 24. Mai, bei der rund 60’000 Menschen gegen die Regierung Michel protestiert hatten, hatte es am Ende Ausschreitungen gegeben.