Die Grünen sind überzeugt, dass der Atomausstieg nicht auf Kosten des Klimas und des Landschaftsschutzes gehen muss. Sie haben am Dienstag dargelegt, wie sie sich die Energiewende vorstellen. Unter anderem fordern sie eine rasche ökologische Steuerreform.
„Die Energiewende ist die entscheidende politische Aufgabe der nächsten Jahrzehnte“, sagte Regula Rytz, Co-Präsidentin der Grünen, vor den Medien in Bern. Technisch sei die Wende machbar, doch fehle der Wille.
Die Pläne des Bundesrates geht aus Sicht der Grünen zwar in die richtige Richtung, genügen aber nicht. Die Hauptmängel seien die lange Laufzeit der Atomkraftwerke und die Rolle der Gaskraftwerke, sagte Co-Präsidentin Adèle Thorens.
Öko-Steuern schon vor 2020
Im Detail sind die Pläne des Bundesrates noch nicht bekannt: Erste Gesetzesänderungen zur Energiewende will die Regierung diesen Herbst in die Vernehmlassung schicken. Die Stossrichtung hatte Energieministerin Doris Leuthard jedoch im Frühjahr präsentiert.
Einschneidende Massnahmen wie neue Abgaben sind in in einer ersten Phase bis 2020 nicht geplant. Aus Sicht der Grünen braucht es aber rasch griffige Instrumente. Die Partei fordert, dass bis 2020 eine ökologische Steuerreform umgesetzt wird.
Mehr Fördergelder
Als ungenügend erachten die Grünen auch die geplanten Anreize für mehr Energieeffizienz. Unter anderem fordern sie mehr Gelder für Gebäudesanierungen. Bis 2020 sollen Neubauten netto Energie produzieren statt verbrauchen. Griffigere Massnahmen verlangen die Grünen ferner bei der Förderung der erneuerbaren Energien.
Zum einen soll der Deckel der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) aufgehoben werden, zum anderen soll der KEV-Zuschlag auf Strom stärker erhöht werden. Der Bundesrat wolle den Zuschlag bis 2020 nur auf 1,2 Rappen pro Kilowattstunde steigen lassen, kritisierte Thorens. In Deutschland liege dieser bereits heute bei umgerechnet 6,8 Rappen pro Kilowattstunde.
Wechsel oder Wandel?
Die Forderungen der Grünen basieren auf zwei von ihnen erarbeiteten Szenarien. Das eine Szenario mit dem Namen „Kurswechsel“ geht davon aus, dass es gelingt, in der Bevölkerung Verhaltensänderungen herbeizuführen. Gemeint sei damit etwa, dass im Winter nicht auf T-Shirt-Temperatur geheizt werde, erklärte Nationalrat Bastien Girod.
Mit dem anderen Szenario unter dem Namen „Energiereform“ wollen die Grünen zeigen, dass es auch ohne Verhaltensänderungen – bei steigendem Stromverbrauch – möglich ist, aus der Atomenergie auszusteigen und die Klimaziele zu erreichen. In diesem Szenario muss mehr erneuerbare Energie produziert werden, was mehr Konflikte mit Interessen des Landschaftsschutzes mit sich bringt.
Weniger Mobilität, gezieltes Wachstum
Beiden Szenarien liegt die Annahme zugrunde, dass der Stromanteil am Gesamtenergieverbrauch von heute 25 Prozent auf rund 60 Prozent steigt. Dies wegen der Umlagerung von fossilen Energieträgern auf Elektrizität, beispielsweise im Verkehr.
Die Strompreise würden mit der grünen Energiewende laut Girod nicht stark steigen. Damit die Ziele erreicht werden könnten, bräuchte es indes auch einen gesellschaftlichen Wandel. Als Stichworte nannten die Grünen eine reduzierte Mobilität sowie qualitatives Wachstum. Dies klinge visionärer als es sei, versicherte Rytz.
AKW-Laufzeiten verbindlich festlegen
Dass die Schweiz auf den Ausstiegsentscheid zurück kommt und am Ende doch neue AKW baut, glauben die Grünen nicht. Sorgen bereiten ihnen aber die Bestrebungen, die Laufzeiten der bestehenden AKW zu verlängern.
Die Atombefürworter gingen wieder in die Offensive, stellte Rytz fest. Sie schafften Fakten, indem sie in altersschwache Reaktoren investierten. Deshalb sei die Ausstiegsinitiative der Grünen „dringend nötig“. Mit der Initiative wollen die Grünen erreichen, dass AKW höchstens 45 Jahre am Netz bleiben.