Für Weltmeister Deutschland gilt die Gruppe C als willkommener Aufgalopp für die K.o.-Phase. Polen startet gegen die Ukraine und Nordirland aus der Pole-Position ins Rennen um Platz 2.
Ukraine, Polen und Nordirland – Deutschland hätte es schwerer treffen können in seiner Gruppe. Für den Weltmeister und EM-Titel-Anwärter spielt es aber ohnehin keine Rolle, wer sich in der Gruppenphase in den Weg stellt.
Das Ziel der Deutschen, die sich wie 2008 vor der EM in der Schweiz und Österreich in Ascona vorbereiteten, ist eindeutig: Nach dem vierten WM-Titel 2014 in Brasilien wollen sie in Frankreich auch an der EM zum vierten Mal reüssieren. Die Gruppenphase dient als Hors d’œuvre und die Vorspeise ist dem Selbstverständnis der erfolgreichsten EM-Nation nach eine leichte Kost.
Das Überstehen der Gruppenphase wird für die DFB-Elf tatsächlich keine Hürde sein, zumal im neuen Modus auch die Gruppendritten auf den Einzug in die Achtelfinals hoffen können und den Deutschen aus dem zweiten Topf die Ukraine und nicht etwa Italien zugelost wurde.
Vielmehr geht es darum, gegen die Ukraine, Polen und Nordirland eine günstige Ausgangslage für die K.o.-Spiele zu schaffen. Als Gruppensieger bekäme es die Truppe von Joachim Löw in den Achtelfinals mit einem Gruppendritten zu tun.
Polens Torgefahr
Als härtesten Widersacher sehen die Deutschen in der Gruppenphase Polen. Gegen den Nachbarn, mit dem sie es im zweiten Spiel am 16. Juni in Paris zu tun bekommen, haben sie bereits in der Qualifikation gespielt. Mit einem 0:2 in Warschau bezogen sie im Oktober 2014 ihre erste von zwei Niederlagen auf dem Weg nach Frankreich.
Im FIFA-Ranking ist Polen zwar die am schlechtesten klassierte Equipe (27.) der Gruppe C, einen Rang noch hinter Nordirland. Doch sind die Polen so gut besetzt wie noch nie. Vor allem die Offensive um Stürmerstar Robert Lewandowski und Ajax-Skorer Arkadiusz Milik bringt viel Qualität mit.
Beleg dafür ist der Bestwert von 33 Toren in der Qualifikation, wobei Deutschland gegen die gleichen Gegner auf 24 Treffer kam. Der erste Sieg der Polen bei der dritten EM-Teilnahme ist fällig, das erstmalige Überstehen der Gruppenphase das erklärte Ziel.
Ukrainisches Defensivwerk
Der berechtigte Anspruch der Polen ist, gegen Nordirland und auch die Ukraine zu bestehen. Während die meisten polnischen Nationalspieler in den europäischen Topligen tätig sind und einige zu den Leistungsträgern bei international engagierten Klubs gehören, steht das Gros der Ukraine bei den heimischen Topklubs Schachtar Donezk und Dynamo Kiew unter Vertrag.
Eine der Hürden, welche die Polen meistern müssen, ist die Abwehrstärke der Gelb-Blauen. Nur vier Gegentore kassierte das defensiv eingestellte und dafür in der Heimat phasenweise kritisierte Team von Trainer Michail Fomenko in der Qualifikation.
Der Spieler mit dem grössten Potenzial ist Dynamo Kiews Offensivmann Andrej Jarmolenko, der meist auf dem rechten Flügel aufläuft. Nach wie vor zum Nationalteam gehört der 37-jährige Altmeister Anatoli Timoschtschuk, der seinen Zenit aber überschritten hat. Der Weg der Ukraine nach Frankreich führte über die Barrage, in welcher sie sich gegen Slowenien mit den Gesamtskore von 3:1 durchsetzte.
Nordirland hat sich zum ersten Mal für eine EM-Endrunde qualifiziert und nimmt in der Gruppe C die Aussenseiterrolle ein. Grosse Namen fehlen im homogenen, überwiegend in (unteren) englischen Ligen spielenden Ensemble mit dem ehemaligen Sittener Stürmer Kyle Lafferty als besten Torschützen (7 Tore in der Qualifikation).
Kyle Lafferty gewann mit den Glasgow Rangers in Schottland Meisterschaft, Cup und Ligacup, beim FC Sion konnte er aber keine bleibenden Spuren hinterlassen und wechselte nach einem Jahr nach Italien zu Palermo. (Bild: Keystone/PETER MORRISON)
Dass die von Michael O’Neill gecoachten Nordiren gegen Mannschaften wie Polen und die Ukraine aber bestehen können, deuteten sie in der Qualifikation an. Mit 21 Punkten und nur einer Niederlage belegten sie in der Gruppe F vor Rumänien, Ungarn und Griechenland Platz 1. Ihr Plan: ein Erfolgserlebnis zum Auftakt gegen Polen und dann gegen die Ukraine gewinnen.
Deutschland: Das EM-Schwergewicht
Dreimal Europameister, sechsmal im Final, achtmal in den Halbfinals: Eine bessere EM-Bilanz als die Deutschland weist keine Nation auf. Einzig Spanien holte den Titel gleich oft wie Deutschland, das sich im Tessin auf die Endrunde vorbereitete und sich in Frankreich zum alleinigen Rekordhalter machen will.
Das Überstehen der Gruppenphase wird für die DFB-Elf keine Hürde sein. Vielmehr besteht die Aufgabe zunächst darin, gegen die Ukraine, Polen und Nordirland eine günstige Ausgangslage für die K.o.-Spiele zu schaffen. Bei der Selektion des EM-Kaders hatte Bundestrainer Joachim Löw die Qual der Wahl. Er entschied sich für eine vielversprechende Mischung aus Routiniers und aufstrebenden Talenten.
Trotz resultatmässig bescheidenen zwei Jahren seit dem Gewinn des vierten WM-Titels in Brasilien führt der Weg zum Titel auch in Frankreich über Deutschland.
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Einwohner | 81,7 Millionen |
Hauptstadt | Berlin |
Gründung Fussballverband | Deutscher Fussball-Bund, 1900 |
Fifa-Ranking | 5 |
Bisherige EM-Teilnahmen | 11 (1972, 1976, 1980, 1984, 1988, 1992, 1996, 2000, 2004, 2008, 2012) |
Bestes EM-Resultat | Europameister (1972, 1980, 1996) |
Qualifikation | 1. in der Gruppe D (10 Spiele, 22 Punkte) |
Bester Torschütze in der Qualifikation | Thomas Müller (9) |
Bekannteste Spieler | Manuel Neuer (Bayern München), Thomas Müller (Bayern München), Bastian Schweinsteiger (Manchester United), Toni Kroos (Real Madrid) |
Trainer | Joachim Löw (GER/seit 2006) |
Ukraine: Graue Maus will Freude machen
2006 an der WM in Deutschland und 2012 an der gemeinsamen Heim-EM mit Polen stach Andrej Schewtschenko aus dem Kollektiv heraus. 2016 in Frankreich fehlen die grossen Namen in den Reihen der Ukraine, die sich aber in den Playoffs gegen Slowenien erstmals aus eigener Kraft für die EM-Endrunde qualifiziert hat.
Schewtschenko sitzt inzwischen als Assistenztrainer auf der Bank, in der Offensive soll es nun die Flügelzange um Andrej Jarmolenko (Dynamo Kiew) und Jewgeni Konopljanka (FC Sevilla) richten. Der Fokus von Trainer Michail Fomenko liegt indes auf der Defensive, die in der Qualifikation nur vier Gegentore zuliess.
Der Krieg um den Osten des Landes geht auch am Fussball-Nationalteam nicht spurlos vorbei. Ein Satz des Trainers ist daher mehr als eine Floskel: «Wir wollen allen Freude machen.»
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Einwohner | 42,8 Millionen |
Hauptstadt | Kiew |
Gründung Fussballverband | Federazija Futbolu Aukrajiny, 1991 |
Fifa-Ranking | 22 |
Bisherige EM-Teilnahmen | 1 (2012) |
Bestes EM-Resultat | in der Vorrunde ausgeschieden |
Qualifikation | 3. in der Gruppe C (10 Spiele, 19 Punkte), Barrage gegen Slowenien (2:0, 1:1) |
Bester Torschütze in der Qualifikation | Andrij Jarmolenko (6) |
Bekannteste Spieler | Andrij Jarmolenko (Dynamo Kiew), Anatolij Tymoschtschuk (Almaty), Oleh Husjew (Dynamo Kiew), Jewhen Konopljanka (FC Sevilla) |
Trainer | Leonid Sluzki (RUS/seit 2015) |
Polen: Robert Lewandowski überstrahlt sie alle
Bei den Bayern ist er der Vollstrecker, im Nationalteam Dreh- und Angelpunkt: Mit 13 Toren und fünf Vorlagen führte Robert Lewandowski die Polen fast im Alleingang an die EM.
Doch Polen ist mehr als eine One-Man-Show. Mit Lukas Piszczek (Borussia Dortmund), Grzegorz Krychowiak von Europa-League-Seriensieger FC Sevilla und Jakub Blaszczykowski (Fiorentina) schmücken weitere namhafte Spieler das Team, das Deutschland in der Qualifikation zu Hause 2:0 besiegte.
Bei der dritten EM-Teilnahme, der zweiten mit Bundesliga-Topskorer Lewandowski, strebt Polen den ersten Sieg an. 2008 und 2012 wurde der Olympiasieger von 1972 jeweils Gruppenletzter.
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Einwohner | 38,5 Millionen |
Hauptstadt | Warschau |
Gründung Fussballverband | Polski zwiazek Pilki Noznej, 1919 |
Fifa-Ranking | 27 |
Bisherige EM-Teilnahmen | 2 (2008, 2012) |
Bestes EM-Resultat | jeweils in der Vorrunde ausgeschieden |
Qualifikation | 2. in der Gruppe D (10 Spiele, 21 Punkte) |
Bester Torschütze in der Qualifikation | Robert Lewandowski (13) |
Bekannteste Spieler | Robert Lewandowski (Bayern München), Jakub Blaszczykowski (Fiorentina), Lukasz Piszczek (Borussia Dortmund), Grzegorz Krychowiak (FC Sevilla) |
Trainer | Adam Nawalka (POL/seit 2013) |
Nordirland: Inspiriert von Leicester City
Dreimal konnten sich die Nordiren für eine WM qualifizieren (1958, 1982, 1986). An einer EM nehmen sie in Frankreich zum ersten Mal teil. Inspirieren lassen sich die krassen Aussenseiter von Leicester City, dem Überraschungsteam der Premier League.
«Wir können uns Leicester anschauen. Die haben keine grossen Superstars und zeigten, was man erreichen kann, wenn sich alle fürs Team opfern», sagt Trainer Michael O’Neill. Bekannte Namen finden sich im Nationalteam des 1,8 Millionen Einwohner zählenden Landes tatsächlich kaum, derjenige mit dem grössten Renommee ist Verteidiger Jonny Evans (West Bromwich/ex Manchester United).
Ein Begriff ist auch Ex-Sion-Stürmer Kyle Lafferty, der zuletzt von Norwich City an den englischen Zweitligisten Birmingham City ausgeliehen war. Jungverteidiger Patrick McNair kam in der abgelaufenen Saison zu neun Einsätzen für Manchester United.
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Einwohner | 1,8 Millionen |
Hauptstadt | Belfast |
Gründung Fussballverband | Irish Football Assiciation, 1880 |
FIFA-Ranking | 26 |
Bisherige EM-Teilnahmen | erste Teilnahme 2016 |
Bestes EM-Resultat | erste Teilnahme 2016 |
Qualifikation | 1. in der Gruppe F (10 Spiele/21 Punkte) |
Bester Torschütze in der Qualifikation | Kyle Lafferty (7) |
Bekannteste Spieler | Kyle Lafferty (Birmingham City), Jonny Evans (West Bromwich Albion), Steven Davis (Southhamption), Patrick McNair (Manchester United) |
Trainer | Michael O’Neill (NIR, seit 2011) |