Die Affäre um das Vorgehen der britischen Regierung gegen die Zeitung «The Guardian» bringt Grossbritannien Kritik seitens der EU ein. Und nun schalten sich auch die Gerichte ein.
Der Partner von Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald, David Miranda, zog am Donnerstag vor den High Court in London um eine einstweilige Verfügung gegen seine neunstündige Festsetzung am Flughafen Heathrow und die Beschlagnahme seiner Computerausrüstung zu erwirken. Greenwald war der Journalist, der als erster die Enthüllungen von US-Whistleblower Edward Snowden veröffentlicht hatte.
Durch die einstweilige Verfügung solle erwirkt werden, dass die Regierung das beschlagnahmte Material weder einsehen, kopieren noch weitergeben darf, sagte Mirandas Anwalt vor dem höchsten englischen Zivilgericht. Nach Angaben von Glenn Greenwald sind die Daten für die Regierung ohnehin wertlos. Sie seien so verschlüsselt, dass sie selbst von Hochleistungsrechnern nicht decodiert werden könnten.
Die britische Polizei gab hingegen an, hoch brisantes Datenmaterial bei Miranda entdeckt zu haben. Eine Veröffentlichung der Informationen hätte die öffentliche Sicherheit gefährden können, rechtfertigte ein Polizei-Jurist das Vorgehen bei einer Anhörung vor einem Londoner Gericht.
Er sagte, die Beamten werteten derzeit Zehntausende Seiten digitales Material von den Geräten aus und hätten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Festsetzung Mirandas im Transitbereich des Flughafens Heathrow auf der Grundlage eines Terrorgesetzes aus dem Jahr 2000 hatte hohe Wellen geschlagen.
Britische Regierung in Bredouille
Die britische Regierung kam in die Bredouille, nachdem «Guardian»-Chefredaktor Alan Rusbridger anschliessend auch öffentlich machte, dass auf Druck höchster Regierungsstellen Festplatten mit sensiblen Daten im Redaktionsgebäude des «Guardian» vernichtet werden mussten. Die Aktion sei von Geheimdienst-Leuten überwacht worden.
EU-Justizkommissarin Viviane Reding kritisierte das Vorgehen der britischen Behörden gegen den «Guardian». Mit Blick auf einen Brief des Europaratspräsidenten Thorbjörn Jagland an die Regierung in London erklärte Reding, sie teile dessen Befürchtungen bezüglich negativer Auswirkungen auf die Pressefreiheit «voll und ganz».
Auch in Berlin sorgte das Vorgehen der Behörden gegen den «Guardian» für scharfe Kritik. Ein solches Szenario sei in Deutschland «kaum vorstellbar», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Die britische Öffentlichkeit steht laut einer Umfrage klar auf der Seite der Zeitung. Nur gut ein Drittel (37 Prozent) ist der Meinung, dass Miranda rechtmässig auf der Grundlage eines Terrorgesetzes festgehalten wurde.
47 Prozent gaben in der Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov an, die Androhung von Gefängnis für den 28 Jahre alten Marketing-Studenten aus Brasilien sei falsch gewesen, während sie 38 Prozent für richtig hielten.
Weitere Berichte angekündigt
«Guardian»-Chefredaktor Rusbridger kündigte unterdessen weitere Berichterstattung in der Affäre um die Abhörpraktiken von Geheimdiensten an. «Wir werden in den nächsten Wochen vor allem mehr erfahren, was die Beziehung zwischen Regierungen, Geheimdiensten und den grossen Internet- und Technologiefirmen angeht», sagte er «Spiegel-Online».
In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» kündigte Rusbridger an, der «Guardian» werde die Berichterstattung künftig stärker von den USA aus fahren. Anders als in London erwarte er dort keine Gängelungen. US-Justizminister Eric Holder habe gesagt, er werde nicht gegen Journalisten vorgehen, die Journalismus betrieben.