Zwar gibt es auch 85 Tage nach dem Olympiasieg des Leichtgewichts-Vierers viele Fragezeichen um die Schweizer Ruderer, die Vorzeichen für den nächsten Olympia-Zyklus sind aber durchaus positiv.
«Die Ausgangslage für den Verband ist gut», sagt Verbandsdirektor Christian Stofer. Die Aussage liegt darin begründet, dass die Skifferin Jeannine Gmelin sowie die Mitglieder des Doppelvierers – Barnabé Delarze, Roman Röösli, Augustin Maillefer und Nico Stahlberg – bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio weitermachen wollen. Beide Boote haben in Rio de Janeiro ein Diplom geholt. Aus dem Männer-Quartett ist keiner älter als 24 Jahre, Gmelin ist auch erst 26. Das Entwicklungspotenzial ist also noch gross. Auch die Perspektiven des Leichtgewichts-Doppelzweiers Patricia Merz/Frédérique Rol (beide 23) sind durchaus vielversprechend.
Von den Goldmedaillengewinnern Mario Gyr, Simon Niepmann, Simon Schürch und Lucas Tramèr hat sich noch keiner zu seiner Zukunft geäussert. Für Stofer ist das absolut in Ordnung. Erschwerend kommt bei der Entscheidungsfindung hinzu, dass der Leichtgewichts-Vierer eventuell aus dem olympischen Programm gestrichen wird. Stofer geht davon aus, dass dies der Fall sein wird, was es «nicht einfacher macht». Insofern werden kaum alle vier weiterrudern. So oder so steht zunächst die Ausbildung im Vordergrund. Gyr will das Anwaltspatent erlangen, Tramèr absolviert ein Praktikum in einem Spitial, Niepmann geht die Masterarbeit seines Studiums der Sportwissenschaften an, und Schürch setzt das Wirtschaftsstudium fort.
Insofern kann sich Stofer auch ein Modell vorstellen, bei dem zugunsten der Ausbildung ein Jahr ausgesetzt wird, das heisst, die WM Ende September in Sarasota im US-Bundesstaat Florida kein Ziel ist. Das hätte ein Jahr mehr Flexibilität zur Folge. «Die vier wissen genau, was es braucht», erklärte Stofer. Jedenfalls müssten auch in diesem Fall mindestens 3000 bis 3500 Kilometer gerudert werden.
Fragezeichen gibt es nicht nur bei den Athleten, sondern auch bei den Trainern. Headcoach Ian Wright hat ein Engagement beim australischen Verband einer Weiterarbeit in der Schweiz vorgezogen. «Wir hatten gehofft, ihn behalten zu können», sagte Stofer. Der Abgang von Assistent Tim Dolphin war dagegen schon länger bekannt. An Bewerbungen für diese beiden Stellen mangelt es nicht. «Es ist eine hohe Zahl. Das macht es nicht einfacher», sagte Stofer. Einige Kandidaten bezeichnete er als «sehr interessant».
Die Nachfolge will Stofer «lieber früher als später» geregelt haben. Der erste Test für die Athletinnen und Athleten steht bereits am 3. Dezember im Programm. Oberste Priorität geniesst aber, eine Lösung zu finden, die während dem gesamten Olympia-Zyklus Bestand hat. Wright war erst 2014 für Simon Cox gekommen. Der Brite hatte überraschend demissioniert. So etwas soll es nicht mehr geben. Das ist das «übergeordnete Ziel». Zudem sollen die neuen Trainer das aufgebaute System, das eine kontinuierliche Entwicklung ermöglicht, weiterführen. Schliesslich wollen die Ruderer auch 2020 in Tokio jubeln.