Die Schweiz hat Haftbefehl gegen drei deutsche Finanzbeamte erlassen. Sie sollen 2010 den Ankauf einer CD mit Daten von Kunden der Credit Suisse durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen mit ausgehandelt haben. Die Bundesanwaltschaft stellte ein Rechtshilfegesuch an Deutschland.
Die Bundesanwaltschaft (BA) bestätigte am Samstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda einen vorab veröffentlichten Bericht der Zeitung „Bild am Sonntag“. BA-Sprecherin Jeannette Balmer teilte mit, es bestehe der „konkrete Verdacht, dass von Deutschland aus konkrete Aufträge zum Ausspionieren von Informationen der CS erteilt wurden“.
Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hatte 2010 die CD mit Daten deutscher Kunden der Schweizer Grossbank Credit Suisse für 2,5 Millionen Euro von einem Informanten gekauft.
Balmer wies darauf hin, dass es bereits im Dezember im Zusammenhang mit dem Diebstahl von CS-Bankdaten im Dezember in der Schweiz zu einer Verurteilung gekommen sei. Die BA untersuche den Sachverhalt weiter.
„Absolut unpolitisch“
Die Haftbefehle wurden an einem heiklen Zeitpunkt ausgesprochen: Die Schweiz und Deutschland befinden sich in Nachverhandlungen zu einem Steuerabkommen, welches die Versteuerung von Geldern deutscher Bankkunden auf Schweizer Konten regeln soll. Bundesanwalt Michael Lauber betonte aber im Schweizer Radio DRS die Unabhängigkeit der BA und verneinte einen Zusammenhang mit dem Steuerstreit zwischen den Nachbarländern.
Ob der Entscheid der BA auf die aktuellen Verhandlungen über Steuerabkommen Folgen hat, konnte Lauber nicht sagen. Er sagte aber: „Die Arbeiten der Bundesanwaltschaft sind absolut unpolitisch.“ Der Vorgang laufe vollkommen unabhängig von irgendwelchen politischen Fragen im momentanen Gesamtumfeld.
„Nur Pflicht getan“
Die Regierungen beider Länder hatten sich sich im August 2011 bereits auf ein Steuerabkommen geeinigt. Die deutschen Oppositionsparteien – die in der Länderkammer die Mehrheit innehaben – stellten sich im Parlament jedoch quer: Sie sagen, mit dem Abkommen würden die Steuersünder zu gut wegkommen und verlangen Nachverhandlungen.
Entsprechend empört reagierte die Opposition auf die Haftbefehle aus der Schweiz. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft von der sozialdemokratischen SPD sagte zur „Bild am Sonntag“: „Wir verwahren uns als Land Nordrhein-Westfalen davor, dass unsere Mitarbeiter in ein kriminelles Licht gerückt werden.“ Die Steuerfahnder hätten nur ihre Pflicht getan. Das sei ein „ungeheuerlicher Vorgang“. Gleichzeitig äusserte sie scharfe Kritik an dem geplanten Steuerabkommen und bekräftigte die Ablehnung der SPD.
Schäuble: Tangiert Steuerabkommen nicht
Norbert Walter-Borjans (SPD), der Finanzminister des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, warf der Schweiz vor, Ursache und Wirkung zu verwechseln. Täter seien nicht die Finanzbeamten aus NRW, sondern deutsche Steuerflüchtlinge und die Schweizer Banken, die ihnen helfen. Der Minister sicherte den drei Beamten jede Unterstützung zu.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble von der christdemokratischen CDU zeigte hingegen Verständnis für das Vorgehen der Schweiz. Die Schweiz sei ein Rechtsstaat, in dem die Verletzung des Bankgeheimnisses mit Strafe geahndet werde.
Das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz sei deshalb durch die Haftbefehle „gar nicht“ betroffen. Schäuble wies darauf hin, dass mit dem geplanten Abkommen solche Strafverfolgungen verhindert werden könnten.