Nach der Freilassung eines US-Soldaten aus jahrelanger Gefangenschaft der radikalislamischen Taliban ist Verteidigungsminister Chuck Hagel überraschend nach Afghanistan gereist. Hagel hofft nun auf ein Ende des Konflikts mit den Taliban.
Der Austausch könne möglicherweise eine «neue Brücke für neue Verhandlungen» sein, sagte er im Luftwaffenstützpunkt Bagram. «Ob das zu einem neuen Durchbruch mit den Taliban führen kann, weiss ich nicht. Hoffentlich wird es das.» Hagel traf gegen Mittag in Bagram nördlich der Hauptstadt Kabul ein, wie ein US-Verteidigungsvertreter erklärte.
Der US-Soldat Bowe Bergdahl war am Samstag nach fünf Jahren in den Händen der Taliban an US-Spezialeinheiten ausgehändigt und später ebenfalls in Bagram von Ärzten untersucht worden. Bergdahl kam im Gegenzug für die Überstellung von fünf Taliban-Häftlingen aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo nach Katar frei.
Wie Hagel hofft auch die afghanische Regierung auf baldige Friedensverhandlungen. Der Austausch zeige, dass alle Seiten bereit seien, Vertrauen aufzubauen und die Friedensgespräche «in naher Zukunft» zu beginnen, sagte ein Vertreter des Hohen Friedensrats.
Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid warnte dagegen vor zu viel Optimismus. Es habe sich lediglich um «einen Austausch von Kriegsgefangenen» gehandelt und nicht um einen «politischen» Vorgang, sagte er.
Kritik von Republikanern
In die Freude über Bergdahls Freilassung mischten sich in den USA auch kritische Stimmen. «Unsere terroristischen Gegner haben jetzt einen starken Anreiz, Amerikaner gefangen zu nehmen», hiess es in einer Erklärung der ranghöchsten Republikaner in den Streitkräfte-Ausschüssen von Senat und Abgeordnetenhaus, James Inhofe und Howard McKeon.
Sie beklagten, dass der Kongress erst nach dem erfolgtem Austausch informiert worden sei. Ein Gesetz schreibt vor, dass die zuständigen Ausschüsse jeweils mindestens 30 Tage vor einem Gefangenen-Transfer unterrichtet werden müssen.
US-Verteidigungsminister Chuck Hagel verteidigte bei seinem überraschenden Besuch in Afghanistan das Vorgehen. Die USA hätten Erkenntnisse gehabt, dass «Bergdahls Sicherheit und Gesundheit in Gefahr waren», sagte er mitreisenden Reportern.
«Es war unsere Einschätzung, dass wir eine Möglichkeit finden könnten und sehr schnell handeln mussten; dass wir ihn da herausholen müssen, um sein Leben zu retten», sagte Hagel weiter.
Verhandlungen mehrfach gescheitert
Bergdahl war Ende Juni 2009 in der Nähe eines US-Militärstützpunktes in Afghanistan nahe der Grenze zu Pakistan verschwunden. Später teilten die radikalislamischen Taliban mit, sie hätten den Feldwebel entführt. Verhandlungen zur Freilassung des US-Soldaten scheiterten mehrfach, stattdessen tauchte der heute 28-Jährige wiederholt in Propagandavideos der Aufständischen auf.
US-Präsident Barack Obama dankte dem Emir von Katar und der afghanischen Regierung für ihre Hilfe bei der Freilassung Bergdahls. Aus dem Pentagon hiess es, Bergdahl sei am Samstagabend im Osten Afghanistans an US-Spezialeinheiten ausgehändigt und später auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram von Ärzten untersucht worden.
Die Taliban bestätigten die Freilassung Bergdahls des US-Soldaten. Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte am Sonntag, Aufständische hätten Bergdahl in den Distrikt Alischah in der Provinz Chost gebracht. Die fünf freigelassenen Taliban-Anführer würden von Vertretern des Führungsrates der Taliban in Empfang genommen. «Sie werden mit ihren Familien in Katar bleiben und ein normales Leben führen.»
Bei den fünf freigelassenen Häftlingen handelt es sich um ehemals hochrangige Taliban-Mitglieder. Unter ihnen sind der einst als Taliban-Innenminister festgenommene Chairullah Chairchwa sowie ein Vize-Verteidigungsminister und stellvertretender Geheimdienstchef der 2001 gestürzten Taliban-Regierung.