«Hail, Caesar!» – Gott macht mal Pause

Es ist Fasnachtszeit, und auch die Coen-Brüder lieben Verkleiderlis: In ihrer neuen Komödie wird George Clooney aus einem Sandalenfilm entführt und beinahe zum Kommunismus bekehrt.

Es ist Fasnachtszeit, und auch die Coen-Brüder lieben Verkleiderlis: In ihrer neuen Komödie wird George Clooney aus einem Sandalenfilm entführt und beinahe zum Kommunismus bekehrt.

Jesus ist noch in der Maske, aber die beiden Schächer hängen schon am Kreuz. «Statist oder Hauptdarsteller?», fragt sie ein Produktionsassistent mit Clipboard: Ihre Antwort entscheidet darüber, ob das Martyrium der Nebendarsteller am Filmset mit einem warmen Frühstück vergolten wird.  

Es ist Hollywood, es sind die Fünzigerjahre, und es ist der neue Film der Coen-Brüder, der soeben die Berlinale eröffnete: eine wunderbar leichte, versponnene und selbstbezogene Komödie, wie sie eben nur die amerikanische Filmindustrie hervorbringen kann, die seit Jahrzehnten Stars ans Kreuz schlägt, um sie in unserer Fantasie unsterblich werden zu lassen.

Der gute Hirte

Hochgradig arbeitsteilig und abhängig von den Launen seiner Filmgöttinnen und –götter ist das Hollywoodsystem der Goldenen Ära, in denen ein paar wenige Studios die Welt mit dem Stoff versorgen, aus dem die Träume sind: Dramen, Musicals, Western, Wasserballett- und Sandalenfilme. Eine Party, eine Affäre zu viel, und die Hauptdarsteller wandern in die Entzugsklinik, was die Klatschpresse freut, die millionenschweren Filmproduktionen aber ins Elend stürzt.

Für solche Fälle gibt es Eddie Mannix (Josh Brolin). Mannix ist ein «Fixer», eine Mischung aus Nanny und Privatdetektiv, der Probleme löst und als guter Hirte die verirrten Schafe in den Stall der Studios zurücktreibt. Er hat ein schlechtes Gewissen, dieser Mann, weil er heimlich raucht, obwohl er seiner Frau versprochen hat, damit aufzuhören. Und weil er regelmässig zu spät zum Abendessen kommt. Sogar seinem Beichtvater wird Mannix’ obsessive Seelenzerknirschung zu viel.

 
Denn Mannix hat eigentlich Wichtigeres zu tun: Vom Set der epischen Bibelverfilmung «Hail, Caesar!» verschwindet der Star – nicht Jesus, sondern Leinwandgrösse Baird Whitlock. George Clooney spielt Whitlock als bräsigen, gut abgehangenen Beau, dem das Leben bisher nicht viel mehr abverlangt hat, als dass er seine Zeilen richtig aufsagt. Nach einem Blackout kommt Whitlock in einer Strandvilla wieder zu sich, inmitten einer Gruppe von Drehbuchautoren, die sich zu konspirativen Diskussionsrunden treffen. Und die ihren Schosshund reichlich unverschämt «Engels» rufen.

Bei Tee und Häppchen erklären die Autoren Whitlock, wie Hollywood wirklich tickt: Die Filmindustrie sei eben nur eine Industrie, die Profit generiere und Ausfluchten, um den kleinen Mann im Kinosaal klein und von einer Revolte gegen das kapitalistische System abzuhalten. Und ja, sie hätten Whitlock gegen ein Lösegeld entführt – als Wiedergutmachung für ihre unzumutbaren Arbeitsbedingungen.

Rote Umtriebe

Was nach einer Räuberpistole klingt, hat einen realen Hintergrund. Unter dem Kommunistenfresser Joseph McCarthy grassierte auch in der US-amerikanischen Unterhaltungsbranche die «Red Scare», die Angst vor einer linken Verschwörung, und sei es nur als Vorwand, um den gewerkschaftlichen Zusammenschluss der Filmschaffenden zu diffamieren, wie das beispielsweise Walt Disney tat.

In Hexenprozessen wurden Verdächtige vom Komitee für unamerikanische Umtriebe vorgeladen, um kommunistischem Gedankengut abzuschwören und Berufskollegen zu denunzieren. Wer nicht gestand, riskierte eine Gefängnisstrafe und wurde von der Filmindustrie mit Berufsverbot belegt. Das Biopic «Trumbo», das im März in die Schweizer Kinos kommt, geht weniger frivol mit den historischen Tatsachen um als die Coen-Brüder: Bryan Cranston aus «Breaking Bad» spielt darin einen geächteten US-Drehbuchautor.

Die Coen-Brüder machen es einem nicht schwer, «Hail, Caesar!» zu mögen. Warum sollten sie auch?

Bei den Coen-Brüdern taugen die Verschwörer nicht zu richtigen Schurken, es sind eben nur Maulhelden, die sich für einmal als Akteure in einem globalen Drama begreifen wollen, aber nur Statisten einer grossen Show bleiben: Ihr Anführer wird effektvoll von einem U-Boot verschluckt, um an russischen Gestaden als neuer Mensch ausgespuckt zu werden – wie Jonas vom biblischen Wal. Den rechten Glauben hat man eben, oder man hat ihn nicht.




Sie spielt auch mit: Scarlett Johansson als Badenixe.

Die Coen-Brüder machen es einem nicht schwer, «Hail, Caesar!» zu mögen, warum sollten sie auch? Das Entführungsszenario haben sie in «Fargo» und «The Big Lebowski» schon viel absurder und blutiger durchgespielt, den Zynismus der Hollywood-Moguln in «Barton Fink» gnadenloser gegeisselt.

Stattdessen feiert «Hail, Caesar!» das gute alte Filmhandwerk mit grosser Zitierlust und einem ebensolchen Schauspieleraufgebot: Tilda Swinton zickt in einer Doppelrolle als Klatschreporterin, Channing Tatum stepptanzt hinreissend mit Matrosenkäppi, und Scarlett Johansson – von ihr haben wir ja noch gar nicht gesprochen! – ist bezaubernd als Meerjungfrau, bis sie ihren Mund öffnet und losraunzt.

Milde Götter

«Behold» – sehet, steht zuletzt auf einem Wasserturm über dem Studiogelände, bevor die Kamera in den leuchtenden Himmel schwenkt, wo die Namen Joel und Ethan Coen erscheinen. Die zwei sind für einmal versöhnliche Regiegötter, die nicht rächen oder richten, sondern milde lächeln: Sie haben ihr Lumpenpack halt einfach gern.

«Hail, Caesar!» mag nur eine ironische Fingerübung sein, aber so luftig-leicht macht das den Brüdern keiner nach.
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«Hail, Caesar!» läuft ab Donnerstag in den Basler Kinos.

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